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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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daraus erwachsende Mehrdeutigkeit wurde durch Hin­zufügung von stummen Zeichen aufgelöst, sogenannten Determinativen, die Auskunft über die Klasse des von dem betreffenden Logogramm dargestellten Objekts ga­ben. Linguisten sprechen bei dieser entscheidenden In­novation, die auch Bilderrätseln zugrunde liegt, vom Rebusprinzip.
    Nachdem die Sumerer dieses phonetische Prinzip ein­mal entdeckt hatten, wandten sie es bald nicht mehr nur auf abstrakte Substantive an, sondern benutzten es auch zur Darstellung von Silben oder Buchstaben, die als grammatische Endungen fungierten. Im Englischen würde man vor einem ziemlichen Problem stehen, soll­te man ein Bild der häufig vorkommenden Silbe -tion zeichnen; man könnte aber statt dessen mit einem Bild das Verb shun (meiden) darstellen, das ganz ähnlich klingt. Phonetisch interpretierte Zeichen dienten auch dazu, die Laute der einzelnen Silben längerer Wörter in Form einer Serie von Bildern wiederzugeben. Das ist ungefähr so, als ob ein Engländer das Wort belie­ve (glauben) durch das Bild einer Biene (bee) und eines Blattes (leaf) darstellen würde. Phonetische Zeichen er­möglichten es den Schriftgelehrten darüber hinaus, das gleiche Piktogramm für eine Reihe verwandter Wör­ter (wie tooth, speech und speaker) zu verwenden, wo­bei die Mehrdeutigkeit durch Hinzufügung einer soge­nannten phonetischen Ergänzung aufgelöst wurde (um beispielsweise zu signalisieren, ob ein Zeichen als two, each oder peak gelesen werden soll).

    Babylonische Keilschrift, abgeleitet von der Keilschrift der Su­merer
      Auf diese Weise entwickelte sich die sumerische Schrift zu einem komplizierten System aus drei Zeichentypen: Logogrammen, die ein ganzes Wort oder einen Namen abbildeten, phonetischen Zeichen, die quasi zum Buch­stabieren von Silben, grammatischen Elementen oder Wortteilen dienten, und Determinativen, die keinen ei­genen Lautwert besaßen, aber zur Auflösung von Mehr­deutigkeiten benötigt wurden. Dennoch handelte es sich bei den phonetischen Zeichen der Sumerer noch nicht um eine vollständige Silben- oder Alphabetschrift. Für manche Silben gab es überhaupt kein Schriftzeichen, und manche Zeichen konnten ganz unterschiedlich ausge­sprochen werden. Zudem kam es vor, daß ein Zeichen einmal als Wort und einmal als Silbe oder Buchstabe gelesen werden konnte.
    Der andere Ort neben Mesopotamien, an dem die Schrift mit Sicherheit unabhängig entwickelt wurde, war Mesoamerika und dort wahrscheinlich das südli­che Mexiko. Es wird davon ausgegangen, daß die Schrif­ten der indianischen Kulturen dieser Region unbeein­flußt von der Alten Welt entstanden, da für die Zeit vor den Atlantiküberquerungen der Wikinger keine über­zeugenden Beweise für Kontakte zwischen Neuer Welt und schriftbesitzenden Gesellschaften der Alten Welt vorliegen. Hinzu kommt, daß sich die Formen der me­soamerikanischen Schriftzeichen radikal von allen un­terschieden, die wir aus der Alten Welt kennen. Rund ein Dutzend mesoamerikanischer Schriften sind heute bekannt, wobei zwischen den meisten oder sogar allen eine offenkundige Verwandtschaft besteht (etwa im Zah­len- und Kalendersystem). Nur ein kleiner Teil konnte bisher weitgehend entziffert werden. Momentan stammt die älteste erhaltene mesoamerikanische Schrift aus dem Gebiet von Zapotec im Süden Mexikos und wurde auf etwa 600 v. Chr. datiert. Am weitesten entziffert ist dage­gen eine Schrift aus dem Maya-Tiefland; das älteste dar­in gefundene Datum entspricht dem Jahr 292 n. Chr.
    Trotz des unabhängigen Ursprungs und der charak­teristischen Formen der verwendeten Zeichen kommen in der Maya-Schrift grundsätzlich ähnliche Regeln zum Tragen wie in der sumerischen Schrift und in anderen westeurasischen Schriftsystemen, die sich von den Sume­rern inspirieren ließen. Ebenso wie in der sumerischen Schrift wurden auch bei den Mayas sowohl Logogramme als auch phonetische Zeichen verwendet. Logogramme zur Darstellung abstrakter Begriffe wurden häufig nach dem Rebusprinzip abgeleitet. Das heißt, ein abstrakter Begriff wurde mit dem Zeichen für ein anderes, gleich ausgesprochenes Wort mit unterschiedlicher Bedeutung dargestellt, das sich leicht durch ein Bild repräsentieren ließ. Wie bei der mykenischen Linear-B- und den japa­nischen Kana-Silbenschriften standen die phonetischen Zeichen der Mayas zumeist für Silben, die sich aus ei­nem Konsonanten und einem Vokal zusammensetzten (z. B. ta, te, ti, to, tu ). Ähnlich

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