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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Anordnung von Buchstaben nach Silben in ei­nem quadratischen Block, die Verwendung verwandter Buchstabenformen zur Darstellung verwandter Vokal­und Konsonantlaute sowie die Verwendung von Kon­sonantenformen, welche die Position von Lippen oder Zunge beim Aussprechen des betreffenden Lauts bild­lich darstellen. Das in Irland und Teilen des keltischen Britannien ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. verwendete Ogham-Alphabet übernahm auf ähnliche Weise das Alphabetsprinzip (in diesem Fall von bestehenden europäischen Alphabeten), bestand jedoch ebenfalls aus völlig neuen Buchstabenformen, offenbar abgeleitet von einem Fünffinger-Handzeichensystem.

    Das koreanische Gedicht »Blumen auf den Hügeln« von So-Wol Kim als Beispiel des bemerkenswerten Han’gul-Schrift systems. Jeder quadratische Block stellt eine Silbe dar, während jedes der Zeichen, aus denen die einzelnen Blöcke bestehen, einen Buch­staben repräsentiert .
    Han’gul- und Ogham-Alphabet können mit großer Si­cherheit auf Ideendiffusion im Gegensatz zu unabhän­giger Entstehung zurückgeführt werden, da bekannt ist, daß beide Gesellschaften in engem Kontakt mit ande­ren Gesellschaften standen, die bereits im Besitz einer Schrift waren, und weil auch offensichtlich ist, welche anderen Schriften Pate standen. Dagegen können wir bei der sumerischen Keilschrift und der ältesten me­sopotamischen Schrift bedenkenlos von unabhängiger Entstehung sprechen, da zu den Zeitpunkten, an denen sie erstmals in Erscheinung traten, weit und breit keine anderen Schriften existierten, die als Vorbild hätten die­nen können. Noch umstritten ist indes die Herkunft der Schrift auf der Osterinsel, in China und Ägypten.
    Die polynesischen Bewohner der vor Chile im Pazi­fik gelegenen Osterinsel besaßen eine eigene Schrift, de­ren älteste Zeugnisse aus dem Jahr 1851 stammen, lange nach dem ersten Besuch von Europäern im Jahr 1722. Mag sein, daß die Schrift auf der Osterinsel schon vor der Ankunft der Europäer unabhängig erfunden wur­de und daß dafür nur aus irgendeinem Grund alle Be­weise verschwunden sind. Die naheliegendste Interpre­tation der Fakten lautet jedoch, daß die Osterinsulaner zur Entwicklung einer eigenen Schrift inspiriert wur­den, nachdem ihnen eine spanische Expedition im Jahr 1770 eine schriftliche Proklamation überreicht hatte, in der die Annexion der Insel verkündet wurde.

    Chinesische Handschrift von Wu Li aus dem Jahr 1679 n. Chr.
    Die ältesten Texte in chinesischer Schrift stammen aus der Zeit um 1300 v. Chr., was nicht heißt, daß es keine älteren Vorläufer gegeben haben könnte. Auch die chi­nesische Schrift besitzt Zeichen und Regeln, die sie von allen anderen Schriften unterscheiden, so daß Wissen­schaftler von einer unabhängigen Entstehung ausgehen. Die Schrift war vor 3000 v. Chr. in Mesopotamien erfun­den worden, über 6000 Kilometer westlich der ältesten städtischen Siedlungen Chinas, und hatte um 2200 v. Chr. das immer noch rund 4000 Kilometer entfernte Indu­stal erreicht. Für den gesamten Raum zwischen China und dem Industal ist jedoch kein einziges Schriftsystem aus jener frühen Zeit bekannt. Somit deutet nichts dar­auf hin, daß die ersten chinesischen Schrift gelehrten die Möglichkeit hatten, sich von einem anderen Schriftsy­stem anregen zu lassen.
    Die ägyptischen Hieroglyphen, das bekannteste aller antiken Schriftsysteme, werden gemeinhin ebenfalls als Produkt unabhängiger Erfindung angesehen, doch die alternative Interpretation, sprich Entstehung durch Ide­endiffusion, liegt hier näher als im Fall der chinesischen Schrift. Die Hieroglyphenschrift trat um 3000 v. Chr. re­lativ plötzlich in nahezu ausgereifter Form auf. Ägyp­ten liegt nur etwa 1300 Kilometer westlich von Mesopo­tamien und unterhielt damals Handelsbeziehungen zu jener Region. Mir erscheint es merkwürdig, daß keine Dokumente einer schrittweisen Entwicklung von Hiero­glyphen vorliegen, wo doch das trockene Klima Ägyptens die Konservierung älterer Schreibexperimente be­günstigt hätte – ähnlich wie in Mesopotamien mit sei­nen zahlreichen erhaltenen Dokumenten, die Aufschluß über die Entwicklung der sumerischen Keilschrift in den Jahrhunderten vor 3000 v. Chr. geben. Ebenso suspekt ist mir das Auftauchen einiger anderer scheinbar un­abhängig entstandener Schriftsysteme im Iran (proto­elamitische Schrift), auf Kreta (kretische Piktographie) und in der Türkei (hethitische Keilschrift) nach dem Aufkommen der

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