Arm und Reich
Sammlern zutage, die ungeschliffene Steinwerkzeuge benutzten und die Töpferei noch nicht kannten. Die ersten Anzeichen für einen Wandel in Ostasien stammen aus China, wo um 7500 v. Chr. Überreste von Kulturpflanzen, Knochen von Haustieren, Töpferwaren und geschliffene (neolithische) Steinwerkzeuge auftauchten. Dieser Zeitpunkt und der Beginn von Jungsteinzeit und Landwirtschaft in Vorderasien liegen höchstens tausend Jahre auseinander. Da über das Jahrtausend davor für China nur wenig archäologische Erkenntnisse vorliegen, läßt sich gegenwärtig nicht entscheiden, ob die Landwirtschaft in China, verglichen mit dem Fruchtbaren Halbmond, etwa zur gleichen Zeit, etwas früher oder etwas später auf den Plan trat. Kein Zweifel besteht jedoch an Chinas Rang als eines der ältesten Zentren der Domestikation von Pflanzen und Tieren.
Möglicherweise gab es in China sogar zwei oder mehrere voneinander unabhängige Orte, an denen die Landwirtschaft entstand. Auf die ökologischen Unterschiede zwischen dem kühlen, trockenen Norden und dem warmen, niederschlagsreicheren Süden habe ich ja bereits hingewiesen. Deutliche Unterschiede gibt es aber auch auf gleicher geographischer Breite zwischen dem Küstentiefland und den Hochebenen im Landesinneren. In so verschiedenartigen Umgebungen sind natürlich auch unterschiedliche Wildpflanzen heimisch, so daß angehenden Bauern in verschiedenen Regionen Chinas jeweils anderes Ausgangsmaterial zur Verfügung gestanden hätte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die ältesten bekannten Anbaupflanzen in Nordchina zwei dürreresistente Sorten Hirse waren, in Südchina aber Reis, was getrennte Zentren der Pflanzendomestikation in Nord- und Südchina als möglich erscheinen läßt.
An den Fundstätten mit den ältesten Überresten von Kulturpflanzen fand man auch Knochen domestizierter Schweine, Hunde und Hühner. Zu den ersten Haustieren und Anbaupflanzen gesellten sich nach und nach die vielen anderen in China domestizierten Pflanzen und Tiere. Von den Tieren spielte sicher der Wasserbüffel die wichtigste Rolle (als Zugtier, um ihn vor den Pflug zu spannen), aber auch Seidenraupen, Enten und Gänse hatten ihre Bedeutung. Bekannte chinesische Kulturpflanzen aus späterer Zeit waren Sojabohnen, Hanf, Zitrusfrüchte, Tee, Aprikosen, Pfirsiche und Birnen. Überdies erlaubte die Ost-West-Achse Eurasiens, die ja in frühgeschichtlicher Zeit die Ausbreitung vieler chinesischer Haustiere und Anbaupflanzen nach Westen ermöglichte, umgekehrt auch die Ausbreitung zahlreicher domestizierter Pflanzen und Tiere aus dem westlichen Teil Asiens in Richtung Osten nach China, wo sie Bedeutung erlangten. Wichtige Beiträge zur frühen chinesischen Landwirtschaft, die aus dem Westen stammten, waren Weizen und Gerste, Kühe und Pferde sowie (von geringerer Bedeutung) Schafe und Ziegen.
Wie überall auf der Welt führte die Landwirtschaft in China nach und nach auch zu den anderen Kennzeichen der »Zivilisation«, die wir in den Kapiteln 10–13 erörterten. Eine äußerst kunstvolle Bronzeverarbeitung entstand im 3. Jahrtausend v. Chr.; auf ihrer Grundlage begann die Herstellung von Gußeisen in China viel früher als irgendwo sonst auf der Welt, nämlich schon um 500 v. Chr. In den 1500 Jahren danach folgte eine Vielzahl weiterer Erfindungen (siehe Kapitel 12); hierzu zählten unter anderem Papier, Kompaß, Schubkarre und Schießpulver. Aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. stammen die ersten befestigten Städte, deren Friedhöfe mit einer großen Bandbreite von karg und üppig ausgestatteten Gräbern nunmehr von Klassenunterschieden zeugen. Beweise für die Existenz von Gesellschaften mit sozialer Schichtung, deren Herrscher große Heere von Arbeitskräften mobilisieren konnten, sind auch die Stadtmauern mit gewaltigen Ausmaßen, riesige Paläste und nicht zuletzt der Große Kanal (längster Kanal der Welt mit fast 1800 Kilometern Länge), der Nord- und Südchina verbindet. Die Existenz der Schrift ist in China erstmals für das 2. Jahrtausend v. Chr. belegt, vermutlich entstand sie aber schon früher. Von jener Zeit an wird unser archäologisches Wissen über Chinas werdende Städte und Staaten durch schriftliche Aufzeichnungen über die ersten chinesischen Dynastien ergänzt, beginnend mit der Hsia-Dynastie, die um 2000 v. Chr. begründet wurde.
Was Infektionskrankheiten betrifft, eines der unheilvolleren Nebenprodukte der
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