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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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offen und Tätowierungen auf dem Körper. Manche von ihnen aßen ihre Nahrung ungekocht.« Der Chou-Autor schilderte auch die wilden Stämme im Sü­den, Westen und Norden als recht barbarisch; ihm zu­folge drehten sie ihre Füße nach innen, tätowierten sich die Stirn, behängten sich mit Fellen, hausten in Höhlen, aßen kein Getreide und verspeisten natürlich alles roh.
    Im Laufe des 1. Jahrtausends v. Chr. wurden nach dem Vorbild der Chou-Dynastie oder unter deren Mitwir­kung auch in Südchina eine Reihe von Staaten gegrün­det. Höhepunkt dieser Entwicklung war die politische Einigung Chinas unter der Qin-Dynastie im Jahr 221 v. Chr. Im gleichen Zeitraum beschleunigte sich auch der Prozeß der kulturellen Einigung. »Zivilisierte« Staa­ten mit Schrift schluckten analphabetische »Barbaren« oder wurden von diesen nachgeahmt. Zum Teil verlief die kulturelle Einigung recht brutal: So erklärte der erste Qin-Kaiser alle bisherigen Geschichtsbücher für wert­los und befahl ihre Verbrennung, sehr zum Leidwesen späterer Historiker und Schriftforscher. Diese und an­dere drakonische Maßnahmen müssen mit zur Ausbrei­tung der sinotibetischen Sprachen aus dem Norden in ganz China beigetragen haben, wobei Miao-Yao und an­dere Sprachfamilien in ihre heutige Zersplitterung ge­drängt wurden.
    Innerhalb Ostasiens hatte Chinas Vorsprung in der Landwirtschaft, Technik, Schrift und Staatenbildung zur Folge, daß chinesische Innovationen auch auf die Entwicklung in benachbarten Regionen starken Einfluß nahmen. So lebten bis zum 4. Jahrtausend v. Chr. im größten Teil Südostasiens immer noch Jäger und Samm­ler, die Geröllwerkzeuge verwendeten und zur Hoa-Binh-Kultur, benannt nach dem Ort Hoa-Binh in Vietnam, gezählt werden. Danach verbreiteten sich Kulturpflan­zen aus China, neolithische Technik, dörfliche Seßhaf­tigkeit und Töpferei im Stil Südchinas auch in Südosta­sien, wahrscheinlich begleitet vom Vorrücken südchine­sischer Sprachfamilien. Die historische Südwanderung von Birmanen, Laoten und Thais aus Gebieten in Süd­china vervollständigte die Sinifizierung Südostasiens. Alle drei Völker sind jüngere Ableger ihrer südchinesischen Vettern.
    Die chinesische Dampfwalze hatte solche Wucht, daß die älteren Völker Südostasiens in der heutigen Bevöl­kerung kaum Spuren hinterlassen haben. Nur drei Jä­ger-Sammler-Völker – die Semang auf der Malaiischen Halbinsel, die Bewohner der Andamanen und die Wed­da in Sri Lanka – haben bis heute überlebt und geben Anlaß zu der Vermutung, daß die früheren Bewohner Südostasiens möglicherweise dunkelhäutig waren und Lockenhaar hatten, ganz so wie die modernen Neuguine­er und im Gegensatz zu den hellhäutigen, glatthaarigen Südchinesen und ihren Ablegern, den modernen Süd­ostasiaten. Jene Restpopulationen von Negritos in Süd­ostasien sind möglicherweise die letzten Überlebenden jener Bevölkerung, aus der sich die Besiedler Neugui­neas rekrutierten. Die Semang behaupteten sich als Jäger und Sammler, die mit benachbarten Bauernvölkern Han­del trieben und von ihnen eine austroasiatische Sprache übernahmen – ganz ähnlich wie philippinische Negri­tos und afrikanische Pygmäen, die ebenfalls Sprachen ihrer bäuerlichen Handelspartner übernahmen. Nur auf der entlegenen Inselgruppe der Andamanen haben sich Sprachen, die keine Verwandtschaft zu den südchine­sischen Sprachfamilien aufweisen, bis heute gehalten – als letzte Vertreter einer einstigen Vielfalt von vermut­lich Hunderten inzwischen ausgestorbener südostasia­tischer Sprachen.
    Selbst Korea und Japan unterlagen dem starken Ein­fluß Chinas, obgleich die geographische Trennung be­wirkte, daß ihnen im Gegensatz zu den Bewohnern Süd­ostasiens weder ihre Sprachen noch ihre physische und genetische Eigenheit abhanden kamen. Korea und Japan übernahmen von China im 2. Jahrtausend v. Chr. den Reis, spätestens zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. die Bronzeverarbeitung und im 1. Jahrtausend n. Chr. die Schrift. Über China gelangten auch Weizen und Gerste aus dem westlichen Asien nach Korea und Japan.
    Bei der Schilderung der Rolle Chinas als Wegbereiter der ostasiatischen Zivilisation sollten wir uns indes vor Übertreibung hüten. Nicht jeder kulturelle Fortschritt in dieser Region war chinesischen Ursprungs, und Ko­reaner, Japaner und Südostasiaten waren auch keine ein­fallslosen Barbaren, deren Beitrag zur kulturellen Ent­wicklung getrost vernachlässigt

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