Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
Landwirtschaft, ist die Her­kunft der schlimmsten Erreger, deren Ursprung in der Alten Welt liegt, nicht genau feststellbar. Die Auswertung europäischer Quellen von den Zeiten Roms bis zum Mit­telalter ergibt jedoch, daß die Beulenpest und womög­lich auch die Pocken aus dem Osten kamen, so daß die­se Krankheiten chinesischen beziehungsweise ostasiati­schen Ursprungs sein könnten. Die Grippe (vom Schwein auf den Menschen übertragen) stammt mit noch grö­ßerer Wahrscheinlichkeit aus China, da Schweine dort sehr früh domestiziert wurden und große Bedeutung erlangten.
    Chinas Größe und ökologische Vielfalt hatte die Ent­stehung einer Vielzahl örtlicher Kulturen zur Folge, die von Archäologen anhand besonderer Keramikstile und Artefakte unterschieden werden können. Im 4. Jahrtau­send v. Chr. begannen diese Kulturen, geographisch zu expandieren und sich gegenseitig zu beeinflussen, mit­einander zu konkurrieren und sich zu vereinigen. Wie der Austausch domestizierter Pflanzen und Tiere zwi­schen ökologisch verschiedenartigen Regionen eine Be­reicherung der chinesischen Landwirtschaft darstellte, so bereicherte auch der Austausch zwischen kulturell unterschiedlichen Regionen die chinesische Kultur und Technik, während erbitterte Auseinandersetzungen zwi­schen verfeindeten Häuptlingsreichen die Entstehung immer größerer und stärker zentralistisch organisier­ter Staaten vorantrieben (Kapitel 13).
    Die Ausbreitung von Kulturpflanzen wurde in Nord-Süd-Richtung zwar durch die mit dem geographischen Gefälle einhergehenden klimatischen Veränderungen erschwert, sie stellten aber wegen der geringeren Nord-Süd-Ausdehnung Chinas keine so große Barriere dar wie in Afrika oder Nord- und Südamerika; zudem ist China weder wie Afrika und der Norden Mexikos durch eine Wüste noch wie Mittelamerika durch eine schma­le Landenge in zwei Teile geteilt. Im Gegenteil, Chinas große, von Westen nach Osten fließende Ströme (Gelber Fluß im Norden und Jangtse im Süden) erleichterten die Diffusion von Anbaupflanzen und Techniken zwischen Küste und Landesinnerem, während die breite Ost-West-Ausdehnung und das relativ ebene Terrain, das sogar die Verbindung der beiden Stromsysteme durch Kanäle zu­lassen sollte, den Austausch zwischen Chinas Norden und Süden erleichterte. All diese geographischen Fak­toren trugen zur frühen kulturellen und politischen Ei­nigung Chinas bei, während Westeuropa, das ähnlich groß ist, aber durch ein unwegsameres Gelände und das Fehlen einigender Flüsse geprägt ist, der kulturellen und politischen Einigung bis heute widersteht.
    Einige Neuerungen fanden den Weg vom Süden in den Norden, zu erwähnen sind insbesondere die Eisenerz­verhüttung und der Reisanbau. Überwiegend gelangten jedoch Errungenschaften aus dem Norden in den Süden, wofür die Ausbreitung der Schrift das deutlichste Bei­spiel darstellt: Im Gegensatz zum westlichen Eurasien, das eine Fülle von Schriftsystemen hervorbrachte (sume­rische Keilschrift, ägyptische Hieroglyphen, hethitische Keilschrift, minoische Silbenschrift, semitisches Alpha­bet usw.), entstand in China nur ein einziges, gut doku­mentiertes Schriftsystem. Sein Ursprung lag in Nord­china, von wo es sich ausbreitete, um andere Systeme zu ersetzen beziehungsweise die Durchsetzung etwaiger im Entstehen begriffener Systeme zu verhindern und sich allmählich zu der chinesischen Schrift zu entwickeln, die noch heute verwendet wird. Andere wichtige Merkmale und Errungenschaften nordchinesischer Ge­sellschaften, die nach Süden gelangten, waren Bronzeve­rarbeitung, sinotibetische Sprachen und Staatenbildung. So waren die drei ersten chinesischen Dynastien, Hsia, Shang und Ghou, die im 2. Jahrtausend v. Chr. aufstie­gen, ausnahmslos nordchinesischen Ursprungs.
    Aus erhaltenen Schriften aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. wissen wir, daß Chinesischstämmige schon zu jener Zeit gegenüber nichtchinesischen »Barbaren« ein Gefühl kul­tureller Überlegenheit hegten (wie es viele noch heute tun), wobei in Nordchina selbst Südchinesen als Bar­baren galten. So beschrieb ein Schriftsteller der späten Chou-Dynastie im 1. Jahrtausend v. Chr. die anderen Völker Chinas auf folgende Weise: »Die Völker dieser fünf Regionen – die Mittelstaaten und die Rong, Yi und die anderen wilden Stämme um sie her – hatten alle ihre eigene Natur, von der man sie nicht abbringen konn­te. Die Stämme im Osten wurden Yi genannt. Sie tru­gen ihr Haar

Weitere Kostenlose Bücher