Arm und Reich
links und rechts ihres Herrn neben dem Weg.
Als erstes kam eine Abteilung von Indianern, die nach Art eines Schachbrettmusters in verschiedenen Farben gekleidet waren. Während sie herannahten, entfernten sie alle Halme vom Boden und fegten die Straße. Als nächstes kamen drei Abteilungen von Indianern in unterschiedlicher Kleidung, die tanzten und sangen. Dann folgte eine Anzahl von Männern in Rüstungen mit großen Schilden aus Metall und Kronen aus Gold und Silber. Sie trugen so viel Gold und Silber am Leib, daß es einen wunderbaren Anblick bot, wie es in der Sonne funkelte. Zwischen ihnen thronte Atahualpa auf einer höchst vornehmen Sänfte, deren Traghölzer an den Enden mit Silber beschlagen waren. Achtzig Adlige in leuchtend blauen Gewändern trugen ihn auf ihren Schultern. Atahualpa selbst war sehr edel gekleidet, trug eine Krone auf dem Haupt und einen smaragdbesetzten Kragen um den Hals. Er saß auf einem kleinen Hocker mit dickem Polster, der auf seiner Sänfte stand. An den Seiten der mit Gold und Silber verzierten Sänfte prangten Papageienfedern in vielen verschiedenen Farben.
Hinter Atahualpa folgten zwei weitere Sänften und zwei Hängematten, in denen hohe Adlige getragen wurden, dann mehrere Abteilungen von Indianern mit Kronen aus Gold und Silber. Letztere betraten als erste mit lautem Gesang den Platz, den sie vollständig ausfüllten. Unterdessen lauerten wir Spanier allesamt mit furchterfülltem Herzen in unserem Versteck in einem Hof. Viele von uns urinierten aus schierem Entsetzen in die Hose, ohne es zu merken. In der Mitte des Platzes angekommen, verharrte Atahualpa in seiner Sänfte, während seine Soldaten von hinten weiter auf den Platz strömten.
Statthalter Pizarro schickte nun Bruder Vicente de Valverde hinaus, um mit Atahualpa zu reden und ihn im Namen Gottes und des Königs von Spanien aufzufordern, sich dem Gesetz unseres Herrn Jesus Christus zu unterwerfen und sich in den Dienst seiner Majestät des Königs von Spanien zu stellen. Ein Kreuz in der einen und die Bibel in der anderen Hand, bahnte sich Bruder Vicente den Weg durch die Indianer dorthin, wo sich Atahualpa befand, und sprach folgende Worte zu ihm: ›Ich bin ein Priester Gottes und unterweise die Christenmenschen in den Dingen des Herrn. In gleicher Manier komme ich nun, dich zu unterweisen. Gegenstand meiner Unterweisungen sind die Worte, die Gott in diesem Buch hier zu uns spricht. Deshalb fordere ich dich im Namen Gottes und der Christen auf, ihr Freund zu sein, denn so lautet Gottes Wille, und es wird auch zu deinem Wohle sein.‹
Atahualpa ließ sich die Bibel geben, damit er sie betrachten könne, und der Bruder überreichte sie ihm mit geschlossenem Deckel. Atahualpa wußte nicht, wie man sie öffnet, und so streckte der Bruder seinen Arm aus, um es für ihn zu tun, doch Atahualpa schlug den Arm mit zorniger Geste beiseite, daß die Bibel nicht geöffnet werde. Dann öffnete er sie selbst, zeigte nicht das geringste Erstaunen über die Schrift und das Papier und warf sie, purpurrot im Gesicht, in hohem Bogen fort.
Bruder Vicente wandte sich zu Pizarro um und schrie: »Kommt heraus! Kommt heraus, Christenmenschen! Bekämpft diese feindseligen Hunde, die das Wort Gottes zurückweisen. Dieser Tyrann hat das Heilige Buch auf den Boden geworfen! Habt ihr nicht gesehen? Warum höflich und servil zu diesem aufgeblasenen Hund sein, wenn die Ebene von Indianern wimmelt? Marschiert gegen ihn, denn ich erteile euch Absolution!‹
Der Statthalter gab Candia das verabredete Signal, worauf dieser begann, die Kanonen abzufeuern. Dazu ertönten die Trompeten, und die spanischen Soldaten, Kavallerie und Infanterie, stoben aus ihren Verstecken hervor mitten hinein in die Menge der unbewaffneten Indianer, die den Platz ausfüllte, und stießen dazu den spanischen Schlachtruf ›Santiago!‹ aus. Wir hatten Rasseln an die Pferde gebunden, um den Indianern Furcht einzujagen. Das Donnern der Kanonen, der Klang der Trompeten und die Rasseln an den Pferden versetzten die Indianer in Schrecken und Verwirrung. Die Spanier fielen über sie her und fingen an, sie niederzumetzeln. So voller Furcht waren die Indianer, daß sie aufeinander kletterten und sich gegenseitig erstickten. Da sie keine Waffen trugen, war der Angriff für die Christen ohne Gefahr. Die Kavallerie ritt sie nieder, tötete, verwundete und verfolgte sie. Die Infanterie ging so erfolgreich gegen die verbliebenen
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