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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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links und rechts ihres Herrn neben dem Weg.
    Als erstes kam eine Abteilung von Indianern, die nach Art eines Schachbrettmusters in verschiedenen Farben gekleidet waren. Während sie herannahten, entfernten sie alle Halme vom Boden und fegten die Straße. Als nächstes kamen drei Abteilungen von Indianern in un­terschiedlicher Kleidung, die tanzten und sangen. Dann folgte eine Anzahl von Männern in Rüstungen mit gro­ßen Schilden aus Metall und Kronen aus Gold und Silber. Sie trugen so viel Gold und Silber am Leib, daß es einen wunderbaren Anblick bot, wie es in der Sonne funkelte. Zwischen ihnen thronte Atahualpa auf einer höchst vor­nehmen Sänfte, deren Traghölzer an den Enden mit Sil­ber beschlagen waren. Achtzig Adlige in leuchtend blau­en Gewändern trugen ihn auf ihren Schultern. Atahu­alpa selbst war sehr edel gekleidet, trug eine Krone auf dem Haupt und einen smaragdbesetzten Kragen um den Hals. Er saß auf einem kleinen Hocker mit dickem Pol­ster, der auf seiner Sänfte stand. An den Seiten der mit Gold und Silber verzierten Sänfte prangten Papageien­federn in vielen verschiedenen Farben.
    Hinter Atahualpa folgten zwei weitere Sänften und zwei Hängematten, in denen hohe Adlige getragen wurden, dann mehrere Abteilungen von Indianern mit Kro­nen aus Gold und Silber. Letztere betraten als erste mit lautem Gesang den Platz, den sie vollständig ausfüllten. Unterdessen lauerten wir Spanier allesamt mit furchter­fülltem Herzen in unserem Versteck in einem Hof. Viele von uns urinierten aus schierem Entsetzen in die Hose, ohne es zu merken. In der Mitte des Platzes angekom­men, verharrte Atahualpa in seiner Sänfte, während sei­ne Soldaten von hinten weiter auf den Platz strömten.
    Statthalter Pizarro schickte nun Bruder Vicente de Valverde hinaus, um mit Atahualpa zu reden und ihn im Namen Gottes und des Königs von Spanien aufzu­fordern, sich dem Gesetz unseres Herrn Jesus Christus zu unterwerfen und sich in den Dienst seiner Majestät des Königs von Spanien zu stellen. Ein Kreuz in der ei­nen und die Bibel in der anderen Hand, bahnte sich Bruder Vicente den Weg durch die Indianer dorthin, wo sich Atahualpa befand, und sprach folgende Worte zu ihm: ›Ich bin ein Priester Gottes und unterweise die Christenmenschen in den Dingen des Herrn. In gleicher Manier komme ich nun, dich zu unterweisen. Gegen­stand meiner Unterweisungen sind die Worte, die Gott in diesem Buch hier zu uns spricht. Deshalb fordere ich dich im Namen Gottes und der Christen auf, ihr Freund zu sein, denn so lautet Gottes Wille, und es wird auch zu deinem Wohle sein.‹
    Atahualpa ließ sich die Bibel geben, damit er sie be­trachten könne, und der Bruder überreichte sie ihm mit geschlossenem Deckel. Atahualpa wußte nicht, wie man sie öffnet, und so streckte der Bruder seinen Arm aus, um es für ihn zu tun, doch Atahualpa schlug den Arm mit zorniger Geste beiseite, daß die Bibel nicht geöffnet werde. Dann öffnete er sie selbst, zeigte nicht das gering­ste Erstaunen über die Schrift und das Papier und warf sie, purpurrot im Gesicht, in hohem Bogen fort.
    Bruder Vicente wandte sich zu Pizarro um und schrie: »Kommt heraus! Kommt heraus, Christenmenschen! Be­kämpft diese feindseligen Hunde, die das Wort Gottes zurückweisen. Dieser Tyrann hat das Heilige Buch auf den Boden geworfen! Habt ihr nicht gesehen? Warum höflich und servil zu diesem aufgeblasenen Hund sein, wenn die Ebene von Indianern wimmelt? Marschiert ge­gen ihn, denn ich erteile euch Absolution!‹
    Der Statthalter gab Candia das verabredete Signal, wor­auf dieser begann, die Kanonen abzufeuern. Dazu ertön­ten die Trompeten, und die spanischen Soldaten, Kaval­lerie und Infanterie, stoben aus ihren Verstecken hervor mitten hinein in die Menge der unbewaffneten Indianer, die den Platz ausfüllte, und stießen dazu den spanischen Schlachtruf ›Santiago!‹ aus. Wir hatten Rasseln an die Pferde gebunden, um den Indianern Furcht einzujagen. Das Donnern der Kanonen, der Klang der Trompeten und die Rasseln an den Pferden versetzten die Indianer in Schrecken und Verwirrung. Die Spanier fielen über sie her und fingen an, sie niederzumetzeln. So voller Furcht waren die Indianer, daß sie aufeinander kletterten und sich gegenseitig erstickten. Da sie keine Waffen trugen, war der Angriff für die Christen ohne Gefahr. Die Ka­vallerie ritt sie nieder, tötete, verwundete und verfolgte sie. Die Infanterie ging so erfolgreich gegen die verblie­benen

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