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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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Gott, der Schöpfer des Himmels und der Erde und aller Dinge und Lebewesen darauf, zu, daß dies geschieht, damit du ihn annehmen mögest und aus dem Leben in Finsternis und Barbarei, das du führst, befreit werdest. Dies ist der Grund, warum wir, so wenige an der Zahl, dein riesiges Heer bezwingen. Wenn du die Irrtümer erkannt hast, in denen du lebst, wirst du begreifen, daß wir dir Gu­tes taten, als wir auf Geheiß seiner Majestät des Königs von Spanien in dein Land kamen. Unser Herr hat es so gewollt, daß dein Stolz gebrochen werde und daß kein Indianer die Macht haben solle, sich an einem Christen­menschen zu vergreifen.‹«
    Wir wollen einmal die Kausalkette zurückverfolgen, die zu dieser außergewöhnlichen Konfrontation führte, an­gefangen mit dem unmittelbaren Geschehen. Wie kam es beim Zusammentreffen von Pizarro und Atahual­pa in Cajamarca dazu, daß Pizarro den Inka-Herrscher in seine Gewalt brachte und so viele Männer in dessen Gefolge tötete, statt daß umgekehrt Atahualpas Streit­kräfte, die doch eine enorme Übermacht besaßen, Pi­zarro und seine Männer besiegten? Immerhin bestand Pizarros Streitmacht nur aus 62 Reitern und 106 Fuß­soldaten, während Atahualpa ein Heer von rund 80 000 Mann befehligte. Und weiter: Wie kam es überhaupt,
    daß Pizarro in Amerika war? Warum war nicht Ata­hualpa nach Spanien gefahren, um König Karl I. gefan­genzunehmen? Warum tappte Atahualpa in eine, wie man im Rückblick sagen muß, so durchsichtige Falle? Kamen die Faktoren, die bei der Begegnung Atahualpas und Pizarros eine Rolle spielten, auch bei anderen Be­gegnungen zwischen Völkern der Alten und der Neuen Welt zum Tragen?
    Warum konnte Pizarro Atahualpa in seine Gewalt bringen? Pizarros militärische Überlegenheit bestand in den Schwertern und anderen Waffen und Rüstungen aus Stahl, in seinen Kanonen und Pferden. Dem hatten Atahualpas Soldaten nur Keulen und Äxte aus Stein, Bron­ze oder Holz, dazu Schleudern und leichte Rüstungen entgegenzusetzen; außerdem mangelte es ihnen an Tie­ren für den Ritt in die Schlacht. Dieser ungleiche Aus­rüstungsstand spielte in zahllosen anderen Konfronta­tionen von Europäern mit Indianern und anderen Völ­kern eine entscheidende Rolle.
    Die einzigen Indianerstämme, die sich der Unterwer­fung durch Europäer viele Jahrhunderte lang erfolgreich widersetzten, waren jene, die in den Besitz von Pferden und Gewehren gelangt waren und das militärische Un­gleichgewicht auf diese Weise gemindert hatten.
    Erwähnt man gegenüber weißen Amerikanern das Wort »Indianer«, denken die meisten sofort an einen gewehrschwingenden Prärieindianer auf einem Pferd – ganz nach dem Bild jener Sioux-Krieger, die 1876 in der berühmten Schlacht am Little Big Horn das von General George Custer angeführte Bataillon der US-Streitkräfte vollständig aufrieben. Dabei wird oft vergessen, daß Pfer­de und Flinten den Indianern natürlich anfangs fremd waren. Es handelte sich um Mitbringsel der Europäer, die dann in den Stämmen, die in ihren Besitz gelang­ten, weitreichende Veränderungen auslösten. Dank der Beherrschung des Umgangs mit Pferden und Gewehren konnten die Prärieindianer in Nordamerika, die arau­kanischen Indianer in Südchile und die Pampasindianer in Argentinien die weißen Eindringlinge länger als alle anderen Indianerstämme erfolgreich abwehren. Erst in den siebziger und achtziger Jahren des letzten Jahrhun­derts mußten sie ihren Widerstand nach massivem mili­tärischem Vorgehen weißer Regie rungen aufgeben.
    Wir können uns heute nur schwer vorstellen, wie sich die Spanier, gestützt auf ihre bessere militärische Aus­rüstung, gegen eine so ungeheure zahlenmäßige Über­legenheit durchsetzen konnten. In der Schlacht von Ca­jamarca siegten sie über ein Indianerheer, das 500mal mehr Soldaten zählte als Pizarros kleine Schar. Tausen­de von Indianern wurden getötet, ohne daß ein einzi­ger Spanier sein Leben verlor. In Berichten über Pizar­ros spätere Kämpfe gegen die Inkas, über Cortés’ Sieg über die Azteken und andere frühe Feldzüge von Euro­päern gegen indianische Reiche werden immer wieder Begegnungen geschildert, bei denen ein paar Dutzend europäische Reiter Tausende von Indianern niedermet­zelten. Als Pizarro nach dem Tod Atahualpas von Caja­marca zur Inka-Hauptstadt Cuzco zog, kam es zu vier derartigen Schlachten: bei Jauja, Vilcashuaman, Vilca­conga und Cuzco. Auf spanischer Seite waren daran nur jeweils

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