Arm und Reich
80, 30, 110 und 40 Reiter beteiligt, denen Tausende oder sogar Zehntausende von Indianern gegenüberstanden.
Diese Siege der Spanier lassen sich nicht ohne weiteres auf die Unterstützung durch indianische Verbündete, das psychologische Überraschungsmoment der spanischen Waffen und Pferde oder, wie oft behauptet wird, die falsche Annahme der Inkas, es handle sich bei den Spaniern um ihre heimkehrende Gottheit Viracocha, zurückführen. Es stimmt zwar, daß Pizarro und Cortés nach ihren ersten Erfolgen Verbündete unter den Indianern fanden. Jedoch wären viele dieser Stämme wohl kaum mit den Spaniern marschiert, hätten sie nicht bereits überwältigende Erfolge von Spaniern, die allein kämpften, zu der Überzeugung gebracht, daß Widerstand zwecklos und man gut beraten sei, sich auf die Seite der voraussichtlichen Sieger zu stellen. In Cajamarca war es zweifellos die Neuartigkeit von Pferden, Gewehren und Kanonen, die die Inkas wie gelähmt innehalten ließ, doch die vier Schlachten auf dem Weg nach Cuzco wurden gegen den entschiedenen Widerstand von Inka-Heeren gewonnen, die schon Erfahrung mit spanischen Waffen und Pferden besaßen. Innerhalb von einem halben Dutzend Jahren nach der ursprünglichen Eroberung erhoben sich die Inkas zweimal in verzweifelten, großangelegten und gut vorbereiteten Rebellionen gegen die Spanier. Deren Bewaffnung, die ihnen eine haushohe Überlegenheit verschaffte, ließ die Inkas beide Male scheitern.
Im 18. Jahrhundert löste das Gewehr das Schwert als augenfälligstes Symbol waffentechnischer Überlegenheit der Europäer ab. Ein besonders schauriges Beispiel für das, was sich damit anrichten ließ, lieferte der britische Seemann Charlie Savage, der, mit einigen Musketen bewaffnet, im Jahr 1808 auf den Fidschiinseln landete. Savage, der seinem Namen, der soviel wie »Barbar« bedeutet, alle Ehre machte, brachte es im Alleingang fertig, das Machtgleichgewicht auf Fidschi aus den Angeln zu heben. Eine seiner vielen Untaten war eine Kanufahrt einen Fluß hinauf zu dem Dorf Kasavu, wo er weniger als einen Pistolenschuß vom Dorfzaun entfernt haltmachte und auf die wehrlosen Bewohner zu feuern begann. Seine Opfer waren so zahlreich, daß die überlebenden Dorfbewohner die Leichen auftürmten und dahinter Schutz suchten, während sich das Wasser des Bachs, an dem das Dorf lag, von ihrem Blut rot färbte. Die Reihe derartiger Beispiele für die Macht von Feuerwaffen über Völker, die keine besitzen, ließe sich endlos fortsetzen.
Bei der Eroberung des Inka-Reichs durch die Spanier waren Schußwaffen noch von untergeordneter Bedeutung. Die Gewehre jener Zeit, sogenannte Hakenbüchsen, waren umständlich zu bedienen, und Pizarro führte lediglich ein Dutzend davon mit. Wurden sie benutzt, verfehlten sie jedoch selten ihre psychologische Wirkung. Von weit größerer Bedeutung waren die stählernen Schwerter, Lanzen und Dolche der Spanier – solide, scharfe Waffen, denen Gegner in leichten Rüstungen schnell zum Opfer fielen. Im Gegensatz dazu konnten die Indianer mit ihren stumpfen Schlagwaffen zwar die Spanier und ihre Pferde übel zurichten, aber zum Töten reichte es nur selten. Während die Stahlrüstungen oder Kettenpanzer der Spanier und vor allem ihre Helme wirksamen Schutz gegen Keulenhiebe boten, stellten die leichten Rüstungen der Indianer für Stahlwaffen kein Hindernis dar.
Die gewaltige Überlegenheit, die die Spanier dem Besitz von Pferden verdankten, wird in den Schilderungen von Augenzeugen überdeutlich. Reiter konnten den Wachposten der Indianer davongaloppieren, bevor diese Zeit hatten, ihre Einheiten zu warnen. Sie konnten jeden, der sich ihnen in den Weg stellte, mühelos über den Haufen reiten und töten. Der Schrecken, den ein Angriff mit Pferden hervorrief, die große Wendigkeit der Tiere, das hohe Tempo des Angriffs und die geschützte, weil erhöhte Kampfposition der Reiter bewirkten, daß ihnen Fußsoldaten auf offenem Feld nahezu wehrlos ausgeliefert waren. Die große Wirkung der Pferde war dabei nicht allein auf den Schrecken zurückzuführen, den sie bei jenen auslösten, die ihnen zum erstenmal gegenüberstanden. Zur Zeit des großen Inka-Aufstands von 1536 wußten die Inkas schon sehr gut, wie man sich am besten gegen Kavallerie verteidigte, nämlich durch Hinterhalte und Angriffe in engen Pässen. Doch wie allen anderen, die es je versuchten, gelang es auch den Fußsoldaten
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