Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
Vom Netzwerk:
80, 30, 110 und 40 Reiter beteiligt, denen Tau­sende oder sogar Zehntausende von Indianern gegen­überstanden.
    Diese Siege der Spanier lassen sich nicht ohne wei­teres auf die Unterstützung durch indianische Verbün­dete, das psychologische Überraschungsmoment der spanischen Waffen und Pferde oder, wie oft behauptet wird, die falsche Annahme der Inkas, es handle sich bei den Spaniern um ihre heimkehrende Gottheit Vi­racocha, zurückführen. Es stimmt zwar, daß Pizarro und Cortés nach ihren ersten Erfolgen Verbündete unter den Indianern fanden. Jedoch wären viele dieser Stäm­me wohl kaum mit den Spaniern marschiert, hätten sie nicht bereits überwältigende Erfolge von Spaniern, die allein kämpften, zu der Überzeugung gebracht, daß Wi­derstand zwecklos und man gut beraten sei, sich auf die Seite der voraussichtlichen Sieger zu stellen. In Cajamar­ca war es zweifellos die Neuartigkeit von Pferden, Ge­wehren und Kanonen, die die Inkas wie gelähmt inne­halten ließ, doch die vier Schlachten auf dem Weg nach Cuzco wurden gegen den entschiedenen Widerstand von Inka-Heeren gewonnen, die schon Erfahrung mit spa­nischen Waffen und Pferden besaßen. Innerhalb von ei­nem halben Dutzend Jahren nach der ursprünglichen Eroberung erhoben sich die Inkas zweimal in verzwei­felten, großangelegten und gut vorbereiteten Rebellio­nen gegen die Spanier. Deren Bewaffnung, die ihnen eine haushohe Überlegenheit verschaffte, ließ die Inkas beide Male scheitern.
    Im 18. Jahrhundert löste das Gewehr das Schwert als augenfälligstes Symbol waffentechnischer Überlegenheit der Europäer ab. Ein besonders schauriges Beispiel für das, was sich damit anrichten ließ, lieferte der britische Seemann Charlie Savage, der, mit einigen Musketen be­waffnet, im Jahr 1808 auf den Fidschiinseln landete. Sa­vage, der seinem Namen, der soviel wie »Barbar« bedeu­tet, alle Ehre machte, brachte es im Alleingang fertig, das Machtgleichgewicht auf Fidschi aus den Angeln zu he­ben. Eine seiner vielen Untaten war eine Kanufahrt ei­nen Fluß hinauf zu dem Dorf Kasavu, wo er weniger als einen Pistolenschuß vom Dorfzaun entfernt haltmachte und auf die wehrlosen Bewohner zu feuern begann. Seine Opfer waren so zahlreich, daß die überlebenden Dorf­bewohner die Leichen auftürmten und dahinter Schutz suchten, während sich das Wasser des Bachs, an dem das Dorf lag, von ihrem Blut rot färbte. Die Reihe derartiger Beispiele für die Macht von Feuerwaffen über Völker, die keine besitzen, ließe sich endlos fortsetzen.
    Bei der Eroberung des Inka-Reichs durch die Spa­nier waren Schußwaffen noch von untergeordneter Be­deutung. Die Gewehre jener Zeit, sogenannte Haken­büchsen, waren umständlich zu bedienen, und Pizar­ro führte lediglich ein Dutzend davon mit. Wurden sie benutzt, verfehlten sie jedoch selten ihre psychologische Wirkung. Von weit größerer Bedeutung waren die stäh­lernen Schwerter, Lanzen und Dolche der Spanier – soli­de, scharfe Waffen, denen Gegner in leichten Rüstungen schnell zum Opfer fielen. Im Gegensatz dazu konnten die Indianer mit ihren stumpfen Schlagwaffen zwar die Spanier und ihre Pferde übel zurichten, aber zum Tö­ten reichte es nur selten. Während die Stahlrüstungen oder Kettenpanzer der Spanier und vor allem ihre Hel­me wirksamen Schutz gegen Keulenhiebe boten, stell­ten die leichten Rüstungen der Indianer für Stahlwaf­fen kein Hindernis dar.
    Die gewaltige Überlegenheit, die die Spanier dem Be­sitz von Pferden verdankten, wird in den Schilderun­gen von Augenzeugen überdeutlich. Reiter konnten den Wachposten der Indianer davongaloppieren, bevor diese Zeit hatten, ihre Einheiten zu warnen. Sie konnten je­den, der sich ihnen in den Weg stellte, mühelos über den Haufen reiten und töten. Der Schrecken, den ein Angriff mit Pferden hervorrief, die große Wendigkeit der Tiere, das hohe Tempo des Angriffs und die geschützte, weil erhöhte Kampfposition der Reiter bewirkten, daß ih­nen Fußsoldaten auf offenem Feld nahezu wehrlos aus­geliefert waren. Die große Wirkung der Pferde war da­bei nicht allein auf den Schrecken zurückzuführen, den sie bei jenen auslösten, die ihnen zum erstenmal gegen­überstanden. Zur Zeit des großen Inka-Aufstands von 1536 wußten die Inkas schon sehr gut, wie man sich am besten gegen Kavallerie verteidigte, nämlich durch Hin­terhalte und Angriffe in engen Pässen. Doch wie allen anderen, die es je versuchten, gelang es auch den Fußsoldaten

Weitere Kostenlose Bücher