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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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werden, feindselig gegenüberstehen. Et­liche andere Urbevölkerungen – zum Beispiel Hawai­ianer, australische Aborigines, Sibirjaken und Indianer in den USA, Kanada, Brasilien, Argentinien und Chile – wurden durch Genozid und Krankheiten so stark de­zimiert, daß sie den Nachfahren der fremden Eroberer heute zahlenmäßig stark unterlegen sind. Obgleich ein Bürgerkrieg deshalb nicht in Betracht kommt, pochen sie doch zunehmend auf ihre Rechte.
    Neben diesen politischen und wirtschaftlichen Folgen der Kollisionen der Vergangenheit gibt es auch einen lin­guistischen Nachhall, insbesondere in Form des drohen­den Aussterbens der meisten der 6000 heute noch existie­renden Sprachen und ihrer allmählichen Ablösung durch Englisch, Chinesisch, Russisch und eine Handvoll ande­rer Sprachen, deren Sprecherzahlen in den letzten Jahr­hunderten in die Höhe geschnellt sind. All diese Proble­me der heutigen Zeit sind das Ergebnis der unterschied­lichen Geschichtsverläufe, die in Yalis Frage anklingen.
    Bevor wir mit der Suche nach Antworten auf Yalis Fra­ge beginnen, wollen wir uns möglichen Einwänden gegen die Behandlung dieses Themas zuwenden. Von mancher Seite wird nämlich, aus verschiedenen Grün­den, ein Frevel darin gesehen, die Frage überhaupt zu stellen.
    Der erste Einwand lautet so: Würde nicht jede ein­leuchtende Erklärung der Entwicklung, die zur Vorherr­schaft einiger Völker über andere führte, wie eine Recht­fertigung derselben aussehen? Würde das Ergebnis nicht als unvermeidlich erscheinen und jeder Versuch, daran heute etwas zu ändern, als vergeblich?
    Dieser Einwand beruht auf der verbreiteten Verwechs­lung von Ursachenerklärung und Rechtfertigung. Wozu eine historische Erklärung benutzt wird, hat letztlich nichts mit der Erklärung selbst zu tun. Wissen dient häufiger als Schlüssel zur Veränderung von Ergebnis­sen historischer Geschehnisse als dazu, sie zu wieder­holen oder fortzuschreiben. Das ist ja auch der Grund, warum Psychologen versuchen, die Gedankenwelt von Mördern und Vergewaltigern zu verstehen, warum Sozi­alhistoriker nach den Gründen von Genozid und Ärzte nach den Ursachen von Krankheiten forschen. Ihnen al­len liegt es fern, gute Gründe für Mord, Vergewaltigung, Genozid und Krankheiten zu finden. Vielmehr geht es darum, das Wissen um eine Kausalkette zu nutzen, um sie zu unterbrechen.
    Zweitens ließe sich vielleicht einwenden, die Beschäf­tigung mit Yalis Frage werde automatisch in eine euro­zentrische Geschichtsbetrachtung, eine Verherrlichung der Westeuropäer und eine obsessive Beschäftigung mit der überragenden Bedeutung Westeuropas und des euro­päisierten Amerika in der heutigen Welt münden. Han­delt es sich aber bei jener Bedeutung nicht bloß um ein kurzlebiges Phänomen der letzten Jahrhunderte, das an­gesichts der Entwicklung Japans und Südostasiens schon wieder verblaßt? Wie Sie sehen werden, handelt dieses Buch zum größten Teil von nichteuropäischen Völkern. Statt die Betrachtung auf Interaktionen zwischen Euro­päern und Nichteuropäern zu verengen, werden wir auch den Kontakten verschiedener nichteuropäischer Völker untereinander nachgehen – insbesondere in Afrika süd­lich der Sahara, Südostasien, Indonesien und Neugui­nea. Weit davon entfernt, die Völker westeuropäischen Ursprungs zu verherrlichen, werden wir sehen, daß die meisten Grundelemente der westeuropäischen Kultur und Zivilisation von anderen Völkern in anderen Teilen der Welt entwickelt und später nach Westeuropa »im­portiert« wurden.
    Drittens könnte man fragen, ob nicht mit Ausdrücken wie »Zivilisation« und »Aufstieg der Zivilisation« stillschweigend unterstellt wird, Zivilisation sei etwas Positives, das Leben der Jäger und Sammler etwas Er­bärmliches und die Geschichte der letzten 13 000 Jah­re handle vom Fortschritt der Menschheit hin zu mehr Glück und Zufriedenheit. Um es ganz offen zu sagen: Ich unterstelle weder, daß Industrieländer »besser« sind als Stammesgemeinschaften von Jägern und Sammlern, noch daß die Aufgabe der Jagd- und Sammelwirtschaft zugunsten eisengewappneter Staatlichkeit einen »Fort­schritt« darstellt oder damit in der Vergangenheit eine Zunahme von Glück und Zufriedenheit unter den Men­schen einherging. Meine eigenen Erfahrungen aufgrund meines zwischen amerikanischen Städten und neuguin­eischen Dörfern aufgeteilten Lebens haben mir gezeigt, daß die sogenannten Segnungen der Zivilisation auch

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