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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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3000 v. Chr. waren sie in verschiedenen Gegenden im östlichen Mittelmeerraum domestiziert. Als der ägypti­sche König Tutanchamun um 1325 v. Chr. starb, gab man ihm unter anderem Mandeln als Zehrung für das Leben nach dem Tod mit in sein Grab. Limabohnen, Wasser­melonen, Kartoffeln, Auberginen und Kohl zählen zu den vielen anderen heute bekannten Gemüsesorten mit bitteren oder giftigen Wildvorfahren, von denen einzel­ne süße Vertreter rund um die stillen Örtchen frühzeit­licher Wanderer gesprossen sein müssen.
    Neben Größe und Geschmack als naheliegendsten Kriterien, die Jäger und Sammler bei der Auswahl von Wildpflanzen leiteten, spielten noch weitere eine Rolle: fleischige oder kernlose Früchte, ölhaltige Samen und lange Fasern. Während bei wilden Kürbissen kein oder nur wenig Fruchtfleisch die Kerne umhüllt, führten die Vorlieben der frühen Bauern dazu, daß die Frucht bald mehr Fleisch als Samenkerne enthielt. Bei Bananen führ­te die Auslese schon vor langer Zeit dazu, daß sie ganz aus Fruchtfleisch ohne Kerne bestehen, was moderne Agrarwissenschaftler zur Züchtung kernloser Apfelsinen, Weinbeeren und Wassermelonen inspirierte. Kernlosig­keit ist ein gutes Beispiel dafür, wie von der ursprüng­lichen Funktion einer Frucht, nämlich die Verbreitung der Art zu gewährleisten, durch die Auslese des Men­schen oft nichts mehr übrigbleibt.
    Auch nach dem Kriterium der Ölhaltigkeit wurden in vorgeschichtlicher Zeit etliche Pflanzen ausgewählt.
    Einer der ältesten im Mittelmeerraum domestizierten Obstbäume ist die Olive, die seit etwa 4000 v. Chr. we­gen ihres Öls kultiviert wurde. Domestizierte Oliven sind nicht nur größer, sondern auch ölhaltiger als ihre wil­den Verwandten. Ähnlich verfuhren die frühen Bauern auch mit Sesam, Senf, Mohn und Flachs, um Öl aus Sa­men zu gewinnen, was ihnen moderne Wissenschaftler mit Sonnenblumen, Färberdistel und Baumwolle nach­machten.
    Bevor Baumwolle zur Ölgewinnung genutzt wurde, was erst seit kurzem der Fall ist, baute man sie bekannt­lich wegen ihrer Fasern an, aus denen Stoffe gewebt wur­den. Bei den Fasern (Lint genannt) handelt es sich um Haare, die an den Baumwollsamen sitzen; frühe Bauern in Amerika und in der Alten Welt wählten unabhängig voneinander bestimmte Baumwollsorten wegen ihrer langen Fasern aus. Bei Flachs und Hanf, zwei weiteren Pflanzen, die im Altertum zur Stoffherstellung angebaut wurden, stammen die Fasern dagegen vom Stengel, so daß bei der Auslese lange, gerade Stengel das Kriterium waren. Mag man, wenn von Kulturpflanzen die Rede ist, auch zuerst an Eßbares denken, so ist doch Flachs eine der ältesten Anbaupflanzen des Menschen (Domesti­kation um 7000 v. Chr.). Aus ihm wurde Leinen herge­stellt, das in Europa der wichtigste Stoff blieb, bis nach der industriellen Revolution Baumwolle und Kunstfa­sern an seine Stelle traten.
    Bei allen bisher erörterten Veränderungen im Zuge der Evolution von Wild­zu Kulturformen ging es um Eigenschaften, die von frühen Bauern wahrgenommen werden konnten – wie Fruchtgröße, Bitterkeit, Flei­schigkeit, Ölgehalt und Faserlänge. Durch Selektion einzelner Pflanzen, die bevorzugte Eigenschaften in be­sonders hohem Ausmaß besaßen, trugen frühzeitliche Völker unbewußt zur Verbreitung dieser Pflanzen bei und brachten sie auf den Weg, der zu ihrer Domestikation führen sollte.
    Daneben gab es jedoch mindestens vier andere wich­tige Arten von Veränderungen, die nicht daraus resul­tierten, daß die Beerensammler eine Auswahl aufgrund sichtbarer Merkmale trafen. Vielmehr lösten sie Verän­derungen entweder durch das Ernten solcher Früchte aus, die sich ihnen anboten, während andere dies aus unsichtbaren Gründen nicht taten, oder durch Einwir­kung auf die Selektionsbedingungen, denen die Pflanzen unterlagen.
    Die erste derartige Veränderung richtete sich auf na­türliche Verbreitungsmittel. Viele Pflanzen besitzen be­sondere Mechanismen zum Ausstreuen ihrer Samen (die zugleich Menschen davon abhalten, sie in Mengen zu ernten). Nur mutierte Samen, denen diese Mechanis­men fehlten, konnten geerntet werden und wurden so zu Vorfahren von Kulturpflanzen.
    Ein anschauliches Beispiel liefern Erbsen, deren Sa­men (die wir als Gemüse essen) in Hülsen sitzen, die sie zum Keimen verlassen müssen. Dazu diente bei Wild­erbsen ein Gen, das bewirkt, daß die Hülse aufspringt und die Erbsen herausgeschleudert werden. Bei verein­zelt vorkommenden mutierten

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