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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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»Selbstauslese« der Pflan­zen. Darwins Begriff von der »natürlichen Zuchtwahl« bedeutet, daß bestimmte Angehörige einer Art unter natürlichen Bedingungen im »Kampf ums Dasein« und/ oder bei der Fortpflanzung erfolgreicher sind als ihre Artgenossen. Ändern sich die Bedingungen, meistern womöglich andere Typen von Individuen den Überle­benskampf besser und hinterlassen mehr Nachkommen, haben mithin einen Selektionsvorteil mit der Folge eines evolutionären Wandels innerhalb der betreffenden Po­pulation. Ein klassisches Beispiel ist die Entstehung des sogenannten Industriemelanismus bei britischen Nacht­faltern: Im Zuge der Verschmutzung der Umwelt im 19. Jahrhundert traten Nachtfalter mit dunkler Körperober­fläche häufiger auf als solche mit hellerer Färbung, weil dunkle Nachtfalter, die an einem verrußten Baumstamm saßen, der Aufmerksamkeit ihrer Feinde eher entgingen als leichter erspähbare helle Falter.
    Wie die industrielle Revolution die Umwelt der Nacht­falter verän derte, so veränderte die Landwirtschaft die Umwelt vieler Pflanzen. Ein bestellter, gedüngter, bewäs­serter und gejäteter Garten bietet völlig andere Wachs­tumsbedingungen als ein trockener, ungedüngter Berg­hang. Viele Veränderungen, die Pflanzen im Zuge der Domestikation erfuhren, rührten von solchen veränder­ten Umweltbedingungen her.
    Sät beispielsweise ein Bauer die Saat in einem Garten dicht aus, entsteht unter den Samen ein heftiger Konkur­renzkampf. Große Samen können die guten Bedingun­gen ausnutzen und mit raschem Wachstum quittieren, so daß sie im Vorteil gegenüber kleineren Samen sind, die an trockenen, ungedüngten Berghängen mit gerin­gerer Samenzahl und weniger hartem Konkurrenzkampf die Oberhand hatten. Eine in dieser Weise verschärf­te Konkurrenz unter den Pflanzen spielte eine wichtige Rolle beim Größerwerden der Samen und vielen ande­ren Veränderungen, die sich bei der Verwandlung von Wild- in Kulturpflanzen einstellten.
    Was erklärt nun aber die großen Unterschiede in der Schwierigkeit der Domestikation verschiedener Pflan­zen, so daß einige Arten schon sehr früh, andere erst im Mittelalter und wieder andere trotz aller Bemühun­gen bis heute nicht domestiziert werden konnten? Vie­le der Gründe lassen sich aus der zeitlichen Abfolge ab­leiten, in der verschiedene Kulturpflanzen im Nahen Osten auftraten.
    Wie sich zeigt, stammten die frühesten Kulturpflan­zen im Gebiet des Fruchtbaren Halbmonds, wie Weizen, Gerste und Erbsen, die vor rund 10 000 Jahren domesti­ziert wurden, von Wildpflanzen ab, die schon viele Vor­züge besaßen. So waren sie auch in der Wildform eß­bar und ertragreich. Ihr Anbau war relativ einfach, man brauchte sie bloß zu säen oder zu pflanzen. Sie wuchsen zudem rasch und konnten schon wenige Monate nach der Saat geerntet werden, was gerade in einer Zeit noch fließender Übergänge zwischen nomadischem Jägertum und seßhaftem Dorfleben einen großen Vorteil darstellte. Ein weiterer Pluspunkt war die gute Lagerfähigkeit im Gegensatz zu vielen späteren Kulturpflanzen, etwa Erd­beeren und Kopfsalat. Die meisten frühen Anbaupflan­zen waren Selbstbestäuber und konnten so ihre nützli­chen Erbanlagen unverändert weitergeben, statt sich mit anderen, für den Menschen weniger nützlichen Unter­arten kreuzen zu müssen. Und schließlich bedurfte es zur erfolgreichen Domestikation der wilden Vorfahren der frühesten Kulturpflanzen nur sehr weniger geneti­scher Veränderungen. Beim Weizen genügten beispiels­weise schon die Mutationen, die das Abwerfen der Kör­ner vom Halm verhinderten und eine rasche, einheitli­che Keimung bewirkten.
    In der nächsten Phase wurden um 4000 v. Chr. die er­sten Obst- und Nußbäume domestiziert. Dazu zählten Oliven, Feigen, Datteln, Granatäpfel und Weinbeeren. Gegenüber Getreide und Hülsenfrüchten hatten sie den Nachteil, daß nach der Anpflanzung mindestens drei Jahre vergingen, bis die ersten Früchte wuchsen, und daß ein ganzes Jahrzehnt verstreichen konnte, bis die vol­le Ertragskraft erreicht war. Damit kam ihr Anbau nur für wirklich seßhafte Gemeinschaften in Frage. Immer­hin zählten die frühen Obst- und Nußbäume zu den am einfachsten zu domestizierenden Gewächsen dieser Art. Im Unter schied zu später domestizierten Bäumen ließen sie sich direkt durch Einpflanzen von Ablegern oder so­gar Samen ziehen. Ableger hatten den Vorteil, daß alle Nachkommen identische Erbanlagen

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