Arm und Reich
Nicht erwähnt sind Pflanzen, die erst später Bedeutung erlangten, wie beispielsweise Bananen in Afrika, Mais und Bohnen im Osten der heutigen USA und Süßkartoffeln in Neuguinea. Baumwolle (Gattung der Malvengewächse) tritt in vier Arten auf, von denen jede in einem anderen Teil der Welt heimisch ist, während Kürbisse (Gattung der Kürbisgewächse) in fünf Arten vorkommen. Man beachte, daß Getreide, Hülsenfrüchte und Faserpflanzen in den meisten Regionen bei der Entstehung der Landwirtschaft Pate standen, während Wurzeln, Knollen und Melonen nur an wenigen Orten schon früh von Bedeutung waren .
Tabelle 6.1 Bedeutende frühgeschichtliche Anbaupflanzen (Auswahl nach Regionen)
Trotz dieser Parallelen gab es aber auch erhebliche Unterschiede in den landwirtschaftlichen Systemen der verschiedenen Regionen. Einer bestand darin, daß in der Landwirtschaft der Alten Welt die Breitsaat, die Bestellung der Felder mit Monokulturen und schließlich der Pflug große Bedeutung erlangten. Das heißt, Samen wurden handvollweise ausgesät, so daß ein Feld einer einzigen Frucht gewidmet war. Nachdem Kühe, Pferde und andere Tiere domestiziert waren, wurden sie vor Pflüge gespannt und halfen bei der Feldbestellung. Dagegen wurde in der Neuen Welt niemals eine Tierart domestiziert, die sich zum Pflügen eignete. Die Felder wurden stets von Hand mit Hilfe von Stöcken oder Hacken bestellt, und die Samen wurden einzeln eingepflanzt und nicht handvollweise ausgestreut. Die meisten Felder in der Neuen Welt hatten deshalb nicht den Charakter von Monokulturen, sondern waren bunte Gärten mit vielerlei Gewächsen.
Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den verschiedenen Anbausystemen lag darin, welche Pflanzen als Lieferanten von Kalorien und Kohlehydraten am wichtigsten waren. Wie wir sahen, übernahm in vielen Regionen Getreide die Funktion des Hauptnahrungslieferanten. In anderen teilten sich diese Rolle dagegen Wurzeln und Knollen, die im vorgeschichtlichen Vorderasien und in China so gut wie bedeutungslos waren.
Maniok (alias Tapioka) und Süßkartoffeln wurden im tropischen Südamerika zum Grundnahrungsmittel, Kartoffeln und Oka in den Anden, afrikanische Jamswurzeln in Afrika und indopazifische Jamswurzeln und Taro in Südostasien und Neuguinea. Baumfrüchte, insbesondere Bananen und Brotfrüchte, dienten ebenfalls in Südostasien und Neuguinea als kohlehydratreiche Grundnahrungsmittel. Als das Zeitalter Roms begann, wurden somit schon fast alle der bedeutendsten Kulturpflanzen der Gegenwart an diesem oder jenem Ort der Welt angebaut. Die frühzeitlichen Jäger und Sammler waren mit den Wildpflanzen ihrer jeweiligen Umgebung – ebenso wie mit der Tierwelt, wie wir später sehen werden (Kapitel 8) – gründlich vertraut, und offensichtlich entdeckten und domestizierten die frühen Bauern darunter nahezu alle, deren Domestikation der Mühe wert war. Gewiß, Erdbeeren und Himbeeren wurden erst im Mittelalter von Mönchen gezüchtet, und es stimmt natürlich auch, daß moderne Pflanzenzüchter immer noch an der Verbesserung der traditionellen Anbaupflanzen arbeiten, ja daß ihnen sogar die Züchtung einiger neuer gelang, bei denen es sich vor allem um Beeren (wie Blaubeeren, Preiselbeeren und Kiwis) und Nüsse (etwa Macadamia-, Pekan- und Cashewnüsse) handelte. Doch diese kleine Zahl neuzeitlicher Errungenschaften ist von bescheidener Bedeutung, vergleicht man sie mit Erfolgsgewächsen wie Weizen, Mais und Reis. Dennoch fehlen auf unserer Triumphliste viele Wildpflanzen, die trotz wertvoller Früchte bis heute nicht domestiziert werden konnten. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Eiche, deren Früchte ein Grundnahrungsmittel von Indianern in Kalifornien und im Osten der heutigen USA waren und die auch von europäischen Bauern nach Mißernten als Notnahrung verzehrt wurden. Wegen ihres hohen Stärke- und Ölgehalts stellen sie eine wertvolle Nahrung dar. Wie viele andere Früchte der Natur, die eigentlich eßbar sind, enthalten die meisten Eicheln bittere Tannine; Eichel-Liebhaber lernten jedoch, mit diesen Stoffen in der gleichen Weise umzugehen wie mit den Bitterstoffen in Mandeln und anderen Wildpflanzen: Entweder wurden die Tannine durch Mahlen und Herauslaugen aus den Eicheln entfernt, oder es wurden von vornherein nur die Früchte von gelegentlichen Mutanten mit niedrigem Tanningehalt gesammelt.
Wie kommt es, daß wir bisher an der Domestikation
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