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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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einer so wertvollen Nahrungsquelle wie der Eiche schei­terten? Warum dauerte es so lange, bis Erdbeeren und Himbeeren domestiziert waren? Was ist das Besondere an diesen Pflanzen, das ihre Domestikation für die frü­hen Bauern, die doch schon so komplizierte Techniken wie die Veredelung von Obstbäumen beherrschten, zu einem schier unmöglichen Unterfangen machte?
    Eichen besitzen drei Eigenschaften, die ihre Domesti­kation vereitelten. Erstens wachsen sie so langsam, daß sie die Geduld der meisten Bauern überstrapazieren wür­den. Während Weizen schon wenige Monate nach der Aussaat geerntet werden kann und eine Mandel nach dem Einpflanzen drei bis vier Jahre braucht, um einen Baum mit Früchten hervorzubringen, dauert es ein Jahr­zehnt oder länger, bis eine Eiche zu tragen beginnt. Zwei­tens haben sich Eicheln in ihrem Geschmack und ihrer Größe im Laufe der Evolution an Eichhörnchen ange­paßt, die ja jeder schon einmal beim emsigen Einbud­deln oder Ausgraben von Eicheln beobachtet hat. Junge Eichbäume wachsen aus Eicheln, die von diesen drolli­gen Gesellen zuweilen vergessen werden. In Anbetracht der Milliarden von Eichhörnchen, von denen jedes Jahr für Jahr Hunderte von Eicheln an praktisch alle für das Gedeihen neuer Eichbäume geeigneten Stellen verteilt, hatte der Mensch keine Chance, Eichen nach dem Kri­terium, ob ihre Früchte seinem Geschmack entsprachen, auszulesen. Ähnliche Probleme – langsames Wachstum, flinke Eichhörnchen – erklären vermutlich auch, warum Buchen und Hickorybäume, deren Nüsse bei Europäern und amerikanischen Indianern durchaus beliebt waren, der Domestikation entgingen.
    Der dritte und vielleicht wichtigste Unterschied zwi­schen Mandeln und Eicheln besteht darin, daß die Bit­terkeit bei Mandeln von einem einzigen dominanten Gen gesteuert wird, bei Eicheln aber offenbar von einer Viel­zahl verschiedener Gene. Wenn in vorgeschichtlicher Zeit Mandeln beziehungsweise Eicheln eines gelegentlichen mutierten Baums, dessen Früchte nicht bitter waren, ein­gepflanzt wurden, waren nach den Regeln der Vererbungs­lehre von den Nüssen der Bäume, die daraus wuchsen, im Fall der Mandeln die Hälfte ebenfalls nicht bitter, während bei den Eichen fast alle bitter waren. Das allein hätte schon genügt, um den Enthusiasmus eines angehenden Eichel­bauern zu zerstören, der sich womöglich gegen die Eich­hörnchen durchgesetzt und Geduld bewahrt hatte.
    Bei Erdbeeren und Himbeeren hatten Menschen ähnli­che Probleme, sich in der Konkurrenz mit Drosseln und anderen Vögeln, die gern Beeren naschen, zu behaup­ten. Es mag stimmen, daß in den Gärten der alten Rö­mer wilde Erdbeeren wuchsen. Doch angesichts Milliar­den europäischer Drosseln, die an jedem denkbaren Ort (einschließlich römischer Gärten) ihr Geschäft verrich­teten und Erdbeersamen ausschieden, blieben Erdbeeren so klein, wie es den Drosseln gefiel, und wurden nicht groß nach dem Geschmack des Menschen. Erst in jün­gerer Vergangenheit, als Treibhäuser und dünne Netze zum Schutz von Erdbeerbeeten erfunden waren, konnten wir endlich die Drosseln besiegen und Erdbeeren und Himbeeren nach unseren Vorstellungen züchten.
    Wir wissen nun also, daß die Unterschiede zwischen riesigen Supermarkt-Erdbeeren und winzigen Wald­erdbeeren nur ein Beispiel für die diversen Merkmale sind, in denen sich Kulturpflanzen von ihren wildwach­senden Vorfahren unterscheiden. Den Ausgangspunkt bildete die natürliche Variation unter den Wildpflan­zen selbst. Ein Teil dieser Variation, beispielsweise in der Beerengröße oder der Bitterkeit von Nüssen, war für die frühen Bauern leicht bemerkbar. Andere Unter­schiede, etwa bei den natürlichen Samenverbreitungs­mitteln oder der Keimruhe, konnten ohne moderne bo­tanische Kenntnisse nicht festgestellt werden. Ungeach­tet der Frage, ob bei der Selektion eßbarer Wildpflanzen durch frühzeitliche Wanderer bewußte oder unbewuß­te Kriterien eine Rolle spielten, vollzog sich die Evolu­tion von Wild­zu Kulturpflanzen zunächst in Form ei­nes unbeabsichtigten Prozesses. Er war das unweigerliche Resultat der Auswahl, die wir unter verschiedenen Wildpflanzen trafen, sowie des Konkurrenzkampfs un­ter den einzelnen Pflanzen in Gärten, in denen andere Bedingungen herrschten als in der Natur.
    Aus diesem Grund begann Darwin sein berühmtes Buch »Über die Entstehung der Arten« nicht mit einer Darstellung der natürlichen Selektion, sondern mit ei­ner

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