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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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sonstigen Gründen nicht übernommen wur­den, müßten wir weiter nagende Zweifel hegen. Unge­achtet alles bisher Gesagten bliebe der Verdacht, in der lokalen Wildflora könnte sich vielleicht doch ein Vor­fahr einer potentiell wertvollen Anbaupflanze verber­gen, der von den örtlichen Bauern aufgrund kultureller Faktoren nicht beachtet wurde. Am Beispiel der beiden Regionen wird uns außerdem eine entscheidende Tat­sache der Geschichte vor Augen geführt: daß nämlich Kultur pflanzen aus verschiedenen Teilen der Erde un­terschiedlich ertragreich waren.
    Neuguinea, nach Grönland die zweitgrößte Insel der Welt, liegt nur etwas nördlich von Australien in Äqua­tornähe. Wegen seines tropischen Klimas und der äu­ßerst vielfältigen Lebensräume und Topographie besitzt Neuguinea eine reichhaltige Flora und Fauna (allerdings keine so reichhaltige wie vergleichbare festländische Tro­penregionen). Die Besiedlung Neuguineas durch den Menschen reicht mindestens 40 000 Jahre zurück – viel länger als die Nord- und Südamerikas und etwas län­ger als die Besiedlung Westeuropas durch anatomisch weiterentwickelte Menschen. Insofern hatten die Neu­guineer reichlich Gelegenheit, mit der örtlichen Pflan­zen- und Tierwelt vertraut zu werden. Waren sie aber auch motiviert, ihr Wissen einzusetzen, um eine land­wirtschaftliche Nahrungsproduktion aufzu bauen?
    Ich erwähnte bereits, daß wir es beim Übergang zur Landwirtschaft mit einer Konkurrenzsituation zwischen dem Jagen und Sammeln auf der einen und Ackerbau und/oder Viehzucht auf der anderen Seite zu tun ha­ben. In Neuguinea ist die Jagd- und Sammelwirtschaft nicht in dem Maße lohnend, daß der Anreiz zur Nah­rungsproduktion dadurch geschmälert würde. Die heu­tigen Jäger und Sammler der Insel leiden besonders un­ter der ausgesprochenen Wildarmut: Unter den landbe­wohnenden Tierarten, die in Neuguinea heimisch sind, ist keins größer als der Kasuar, ein 100 Pfund schwe­rer flugunfähiger Vogel, und als ein 50 Pfund schweres Känguruh. Im neuguineischen Tiefland spielen in Kü­stennähe Fische und Schalentiere eine wichtige Rolle als Nahrungslieferanten, während viele Bewohner des Landesinneren noch als Jäger und Sammler leben und sich vorwiegend von wildwachsenden Sagopalmen er­nähren. Von den Hochlandvölkern Neuguineas hat je­doch keins die Jagd- und Sammelwirtschaft bis in die Gegenwart beibehalten; sie leben durchweg in bäuerli­chen Gesellschaften, die mit Nahrung aus der Natur le­diglich ihren Speiseplan bereichern. Begeben sich Hoch­landbewohner im Dschungel auf die Jagd, so nehmen sie als Proviant Gemüse mit, das aus ihren Gärten stammt. Falls sie das Pech haben, daß ihnen die Vorräte ausge­hen, müssen sie trotz ihrer detaillierten Kenntnis der heimischen Wildpflanzen und -tiere im Wald verhun­gern. Da die Jagd- und Sammelwirtschaft mit anderen Worten in großen Teilen des heutigen Neuguinea un­praktikabel ist, überrascht es nicht, daß alle neuguin­eischen Hochland- und die meisten Tieflandbewohner heutzutage seßhafte Bauern sind. Große, früher bewal­dete Gebiete des Hochlands wurden von traditionellen neuguineischen Bauern in abgezäunte, entwässerte, in­tensiv genutzte Ackerflächen verwandelt, die eine große Zahl von Menschen ernähren.
    Archäologische Funde lassen den Schluß zu, daß die Landwirtschaft in Neuguinea schon vor langer Zeit be­gann, etwa um 7000 v. Chr. In jener Zeit waren alle Land­massen in der Umgebung der Insel noch ausschließlich von Jägern und Sammlern besiedelt, so daß die frühe Landwirtschaft auf Neuguinea unabhängig von äuße­ren Einflüssen entstanden sein muß. Zwar wurden bis­her keine eindeutigen Überreste von Anbaupflanzen aus vorgeschichtlicher Zeit entdeckt, doch dürften einige der gleichen Pflanzen darunter gewesen sein, die zur Zeit der europäischen Kolonisation angebaut wurden und von denen man inzwischen weiß, daß sie wilde neu­guineische Vorfahren besitzen. Von herausragender Be­deutung ist Zuckerrohr, die führende Anbaupflanze der heutigen Welt, deren Jahresproduktion in Tonnen fast so hoch ist wie die der Pflanzen auf den Rängen 2 und 3 (Weizen und Mais) zusammen. Andere Kulturpflanzen von unumstritten neuguineischer Herkunft sind unter anderem einige Bananenarten mit der Sammelbezeich­nung Australimusa , der Nußbaum Canarium indicum , Sumpftaro sowie verschiedene eßbare Gräser, Wurzeln und grüne Gemüse. Brotfruchtbaum, Jamswurzel und

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