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Arm und Reich

Arm und Reich

Titel: Arm und Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jared Diamond
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kurzen Zeitspanne: Wurden noch um 9000 v. Chr. weder Pflanzen angebaut noch Haustiere gehalten, so waren einige Gesellschaf­ten schon um 6000 v. Chr. vollständig auf domestizier­te Pflanzen und Tiere angewiesen.
    Ganz anders war die Situation in Mesoamerika: Dort gab es nur zwei domestizierbare Tiere (Truthahn und Hund), die obendrein sehr viel bescheidenere Fleischlie­feranten waren als Rinder, Schafe, Ziegen und Schwei­ne, und die wichtigste Getreideart, Mais, ließ sich, wie schon erwähnt, schwer domestizieren und womöglich auch nur sehr langsam durch Züchtung verändern. All dies führte dazu, daß die Domestikation in Mesoameri­ka wahrscheinlich erst um 3500 v. Chr. begann (der ge­naue Zeitpunkt ist noch umstritten); feste Dorfsiedlun­gen entstanden sogar erst um 1500 v. Chr.
    Bei der gesamten bisherigen Erörterung der Vorzüge, die Vorderasien im Hinblick auf die frühe Entstehung der Landwirtschaft besaß, mußten wir kein einziges Mal ir­gendwelche vermeintlichen Vorzüge der Bewohner dieser Region ins Feld führen. Mir ist auch niemand bekannt, der ernsthaft behaupten würde, daß die Völker Vordera­siens bestimmte biologische Eigenschaften besaßen, die zum Erfolg ihres Bündels von Anbaupflanzen und Haus­tieren beigetragen haben könnten. Vielmehr haben wir gesehen, daß zahlreiche Einzelmerkmale des Klimas, der Umwelt, der Pflanzen- und Tierwelt Vorderasiens zu­sammen eine überzeugende Erklärung liefern.
    Da die Kombinationen aus Kulturpflanzen und Haus­tieren, die sich in Neuguinea und im Osten der USA entwickelten, bei weitem nicht so effektiv waren wie in Vorderasien, könnte man vielleicht auf die Idee kom­men, daß die dortigen Völker die Schuld daran trugen. Bevor wir uns näher mit den beiden Regionen beschäf­tigen, müssen wir uns mit zwei Fragen auseinanderset­zen, die sich für alle Gebiete der Welt stellen, in denen die Landwirtschaft entweder gar nicht unabhängig ent­stand oder wo weniger hochkarätige Bündel aus An­baupflanzen und Haustieren geschnürt wurden. Die er­ste Frage lautet, ob Jäger und Sammler und angehende Bauern alle örtlichen Wildpflanzen und ihre mögliche Verwendung wirklich gut kennen oder ob sie potentielle Vorfahren wertvoller Anbaupflanzen übersehen haben könnten. Falls ersteres zuträfe, würde die zweite Frage lauten, ob sie ihr Wissen auch tatsächlich zur Domesti­kation der nützlichsten Arten einsetzen oder ob kulturelle Faktoren sie daran hindern.
    Was die erste Frage betrifft, widmet sich eine gan­ze Wissenschafts disziplin, die Ethnobiologie, der Er­forschung der Wissensbestände verschiedener Völker über die Flora und Fauna ihrer jeweiligen Umgebung. Schwerpunkt dieser Studien sind und waren in erster Linie die wenigen überlebenden Jäger- und Sammlervöl­ker der Erde sowie bäuerliche Gesellschaften, in denen Nahrung aus der Natur noch immer eine wichtige Rolle spielt. Die Untersuchungen kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß die Angehörigen dieser Völker geradezu wandelnde biologische Lexika sind, mit Na­men (in der jeweiligen Sprache) für bis zu tausend oder mehr Pflanzen- und Tierarten und präzisem Wissen über die biologischen Merkmale jeder Art, ihre Verbreitung und möglichen Verwendungszwecke. Nimmt im Lau­fe der Geschichte die Abhängigkeit von domestizierten Pflanzen und Tieren ab, verlieren diese traditionellen Kenntnisse langsam an Wert und gehen verloren. Am Ende der Entwicklung steht der moderne Supermarkt­besucher, der in der Natur ein Wildgras nicht von einer Hülsenfrucht unterscheiden kann.
    Ich will ein typisches Beispiel geben. In den letzten 33 Jahren, in denen ich in Neuguinea immer wieder biolo­gische Studien durchgeführt habe, war ich bei der For­schungsarbeit ständig in Begleitung von Neuguineern, für die Wildpflanzen und -tiere noch heute eine große Rolle spielen. Eines Tages, als ich mit meinen Gefähr­ten vom Foré-Stamm im Dschungel ohne Nahrung fest­saß, weil ein anderer Stamm uns den Rückweg zu unse­rem Lebensmitteldepot versperrte, kehrte ein Foré-Mann mit einem großen Rucksack voller Pilze, die er gesam­melt hatte, zum Lager zurück und fing an, sie zu braten. Endlich wieder eine Mahlzeit! Doch dann kam mir ein beunruhigender Gedanke in den Sinn: Was, wenn die Pilze giftig waren? Geduldig erläuterte ich meinen Foré-Freunden, ich hätte gelesen, daß einige Pilzarten giftig seien, daß selbst einige amerikanische Pilzkenner gestor­ben seien, weil es so

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