Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Maschinenraum befand sich ein erhöhtes Ruderhaus mit einem Dach, das vollständig mit Solarpaneelen gedeckt war. Auf den Maschinenraum folgten die Kombüse und schließlich die Kojen. Die vordere Sektion war für Fracht vorgesehen.
Der Kapitän der Coogan war Len Buchannan, ein spindeldürrer Bursche Mitte Fünfzig, gekleidet in abgewetzte, verblaßte Shorts und mit einer eng sitzenden blauen Kappe auf dem Kopf. Molvi vermutete, daß seine Gene nur wenig überarbeitet worden waren, wenn überhaupt; das Haar unter der Kappe war kraus und blaßgrau. Unter der dunkelbraunen Haut zeigten sich sehnige Muskeln und leicht geschwollene Gelenke. Mehrere Zähne waren offensichtlich verfault.
Er stand vor dem Ruderhaus und begrüßte Molvi an Bord.
»Ich brauche ein paar Vorräte«, sagte Molvi.
»Ich bin nicht am Handeln interessiert«, entgegnete Buchannan rundheraus. Er blies die Backen auf, wie um seine Worte zu bekräftigen. »Es sei denn, Sie können elektrische Werkzeuge als Tauschobjekte anbieten. Ich habe genug konserviertes Gemüse und eingemachte Früchte und gegerbte Felle. Und kommen Sie bloß nicht auf den Gedanken, das Wort Fisch auch nur in den Mund zu nehmen. Fische kommen mir zu den Ohren raus! Nichts von alledem läßt sich flußabwärts verkaufen. Niemand ist interessiert.«
Rai fischte eine Rolle Plastikgeld aus der Tasche. Buchannan war bereits der dritte freie Händler innerhalb kurzer Zeit, der sich in Aberdale blicken ließ. Alle hatten Bargeld für ihre Waren sehen wollen, und keiner hatte im Gegenzug viel von Lalondes Produkten gekauft. »Ich verstehe. Ich brauche Stoff. Hauptsächlich dünne Baumwolle, aber Canvas oder Denim geht auch.«
»Stoff ist nicht gerade billig. Haben Sie nichts Härteres?«
»Möglicherweise«, antwortete Rai mit düsterer Stimme. Nahm denn niemand auf diesem verdammten Planeten Lalonde-Francs? »Zeigen Sie erst mal, was Sie anzubieten haben«, verlangte er.
Gail Buchannan saß im Ruderhaus. Sie trug einen unförmigen Khakianzug und einen Chinesenhut. Fettleibig, um die Fünfzig, mit langem, zottigem dunklem Haar und Beinen wie wassergefüllten Hautsäcken. Sie konnte nur mühsam laufen, und es erinnerte mehr an ein Watscheln. Den größten Teil ihres Lebens hatte sie damit verbracht, auf dem Deck der Coogan zu sitzen und zuzusehen, wie draußen die Welt vorübergezogen war. Sie blickte von ihrer Näharbeit auf und schenkte Rai Molvi ein freundliches Nicken. »Kleidung brauchste also, Süßer?«
»Das ist richtig.«
»Wir ham jede Menge davon. Alles in Durringham gewebter Stoff. Und gefärbt obendrein. Du findest nirgendwo was Besseres.«
»Da bin ich ganz sicher.«
»Muster ham wa leider noch nich. Aber das kommt auch noch.«
»Ja.«
»Weiß denn deine Frau, wie man näht?«
»Ich … ja. Ich schätze ja.« Daran hatte Rai noch gar nicht gedacht. Die Synthetics in den Arkologien kamen in perfekter Paßform daher; man gab lediglich seine Maße bei der Bestellung ein, und die Ware wurde innerhalb sechs Stunden geliefert. Wenn sie allmählich verschliß, warf man sie einfach in den Recycler. Müllkids mochten vielleicht Flickenmuster oder durchgescheuerte Kleidung tragen, aber kein richtiger Bürger.
»Wenn nicht, schick sie zu mir.«
»Danke.«
»Stricken auch. Keine der Frauen, die hierher kommen, kann stricken. Ich geb’ Unterricht im Stricken. Den besten östlich von Durringham. Weißte auch warum, Süßer?«
»Nein«, erwiderte Molvi hilflos.
»Weil’s der einzige is’.« Gail Buchannan klatschte sich auf die Schenkel und lachte meckernd, und ihre Fleischberge wogten.
Rai bemühte sich um ein höfliches Grinsen und floh in die Frachtsektion des Bootes, während er sich fragte, wie oft die Alte diesen Witz im Lauf der Jahre schon erzählt hatte.
Len Buchannan hatte alles, was sich eine Farmstatt nur wünschen konnte. Es ruhte fein säuberlich auf langen Regalreihen aufgestapelt. Molvi schlurfte durch den schmalen Mittelgang und starrte ehrfürchtig und voller Neid auf die Waren. Dort lagen Elektrowerkzeuge in ihren Originalverpackungen, Solarzellen (die Hälfte von Rais Vorrat war auf dem Raumhafen gestohlen worden), Kühlschränke, Mikrowellen, Kryostaten voll mit gefrorenem Tiersperma, Mood-Phantasy-Player, Lasergewehre, nanonische Medipacks, Medikamente und Regale voller Spirituosen. Die auf Lalonde hergestellten Produkte waren nicht weniger beeindruckend: Nägel, Töpfe, Pfannen, Fensterglas (Rai sah die Scheiben und stöhnte leise; was hätte
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