Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Mannschaft.
Die Oenone fiel hundertfünfzehntausend Kilometer über Atlantis aus dem Wurmloch-Terminus in einen Orbit, fast genau über der Tag-Nacht-Grenze. Syrinx spürte, wie der Rest der Besatzung den Planeten durch die Sensorbündel des Voidhawks beobachtete. Alle strahlten Bewunderung für die Welt unter dem Schiff aus.
Atlantis war eine nahtlos blaue Welt, überzogen von kleinen weißen Wolkenwirbeln. Es gab weniger Stürme als auf einer gewöhnlichen Welt, wo kontinentale und ozeanische Luftströmungen sich gegenseitig aufpeitschten und einen immerwährenden Aufruhr aus Hoch- und Tiefdruckfronten erzeugten. Die meisten Stürme auf Atlantis konzentrierten sich auf die tropische Zone am Äquator; aufgerührt vom Corioliseffekt. Beide polaren Eiskappen waren nahezu kreisrund und etwa gleich groß, und beide besaßen erstaunlich regelmäßige Ränder.
Ruben, der bei Syrinx in der Kabine in einer Konturliege saß, packte ihre Hand ein wenig fester. – Das war eine exzellente Entscheidung, Liebling. Ein ganz neuer Anfang für unser Leben als Zivilisten. Weißt du eigentlich, daß ich in all meinen Jahren noch niemals hiergewesen bin?
Syrinx wußte, daß sie immer noch zu angespannt nach jedem noch so kleinen Manöver reagierte und nach feindlichen Schiffen Ausschau hielt. Eine richtige Navy-Paranoia. Sie ließ das Bild aus den externen Sensoren auf ihr Bewußtsein einwirken und wartete, bis sich die alten Streßgewohnheiten gelegt hatten. Der Ozean schimmerte in einem wunderbaren Saphirglanz. – Danke sehr, Ruben. Ich habe ein Gefühl, als könnte ich schon das Salz riechen.
– Meinetwegen, solange du nicht versuchst, das Meer auszutrinken wie damals auf Uighur.
Sie lachte bei der Erinnerung an die Zeit, als er ihr in jener wunderschönen Bucht auf einer abgelegenen Insel das Windsurfen beigebracht hatte. Vier – nein, fünf Jahre war das inzwischen her. Wo war die Zeit nur geblieben?
Die Oenone glitt in einen niedrigen Fünfhundert-Kilometer-Orbit, während sie sich unablässig beschwerte. Das Gravitationsfeld des Planeten erstreckte seinen unerbittlichen Einfluß über den lokalen Raum und beeinträchtigte die Stabilität von Oenones Raumverzerrungsfeld, so daß der Voidhawk zusätzliche Energie aufwenden mußte, um den Schwund zu kompensieren. Die Störungen nahmen zu, je tiefer das Schiff sank. Als die Oenone ihren endgültigen Orbit erreicht hatte, war sie kaum noch imstande, mehr als ein halbes g an Beschleunigung zu generieren.
Mehr als sechshundert Voidhawks (und achtunddreißig Blackhawks, wie Syrinx mit unbehaglicher Mißbilligung zählte) sowie nahezu tausend Adamistenschiffe teilten sich den gemeinsamen äquatorialen Standardorbit. Die Massesensoren der Oenone enthüllten Syrinx die anderen Schiffe so deutlich wie schmutzige Fußabdrücke im Schnee. Hin und wieder blitzte Sonnenlicht auf einer silbrigen Oberfläche und verriet die Position eines Schiffes an die optischen Sensoren. Fähren verkehrten in einem ununterbrochenen Strom zwischen den parkenden Schiffen und den schwimmenden Inseln weit unten. Größtenteils Raumflugzeuge, wie Syrinx feststellte, statt der moderneren Ionenfeldgleiter. Ein leises Hintergrundrauschen in ihrem Affinitätsband kündete von den lebhaften Unterhaltungen der Voidhawks untereinander und von ausgetauschten Astrogationsdaten.
– Könntest du für mich nach Eysk suchen? fragte Syrinx.
– Selbstverständlich, antwortete die Oenone. – Pernik Island befindet sich unmittelbar über dem Horizont, und dort ist es gerade Mittag … natürlich wäre die Insel viel leichter aus einem höheren Orbit zu erreichen, fügte der Voidhawk mit gespielter Unschuld hinzu.
– Keine Chance. Außerdem bleiben wir nur für eine Woche hier.
Syrinx spürte, wie sich ein Affinitätsband zu Eysk öffnete. Sie tauschten ihre Identitätsmerkmale aus. Eysk war achtundfünfzig Jahre alt, ein Senior in einem alten Familienbetrieb, der Fischfang betrieb und Meerespflanzen erntete und sie im Anschluß daran für den Export verpackte.
– Meine Schwester Pomona hat mir geraten, mich mit Ihnen in Verbindung zu setzen, sagte Syrinx.
– Ich weiß nicht, ob das gut oder schlecht ist, entgegnete Eysk. – Wir haben uns nämlich noch nicht ganz vom letzten Besuch Ihrer Schwester erholt.
– So ist sie, ich weiß. Aber entscheiden Sie selbst. Ich sitze mit einem traurig leeren Frachtraum hier oben im Orbit, der dringend eine Füllung benötigt. Vierhundert Tonnen der besten,
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