Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
Kultur überwunden.
– Aber wie steht es mit dir? Hast du eine Seele?
– Nein. Mein Geist besteht aus der Summe individueller Edeniten. Ich bin nicht und war niemals eines der sogenannten Geschöpfe Gottes. Ich bin ganz und gar von Menschen geschaffen.
– Aber du bist lebendig.
– Ja.
– Wenn es also Seelen gäbe, dann hättest du eine.
– Ich gestehe, daß deine Argumentation die meine schlägt. Glaubst du, daß es Seelen gibt?
– Nicht wirklich. Es erscheint mir ein wenig einfältig. Aber ich kann verstehen, warum Adamisten so bereitwillig daran glauben. Hätte ich nicht die Option, meine Erinnerungen in ein Habitat zu transferieren, würde ich auch gerne an so etwas wie eine Seele glauben wollen.
– Eine exzellente Beobachtung. Genau diese Fähigkeit des Erinnerungstransfers war es, die im Jahre 2090 zu einer Massen-Exkommunikation edenitischer Christen durch Päpstin Eleanor führte. Als der Gründer unserer Gesellschaft, Wing-Tsit Chong, als erstes menschliches Wesen sein Bewußtsein in das neurale Stratum eines Habitats transferierte, verurteilte die Päpstin seine Handlung als Sakrileg, als Versuch, dem göttlichen Urteil zu entkommen. In der Folge wurde das Affinitätsgen als eine Verletzung des göttlichen Vermächtnisses verurteilt; der Vatikan hatte Angst, daß es eine zu große Versuchung für die Gläubigen darstellte. Ein Jahr später proklamierten die islamischen Führer eine ähnliche Ansicht, indem sie den Gläubigen verbot, ihren Kindern die genetische Sequenz einzupflanzen. Das war der Anfang der Divergenz zwischen edenitischer und adamistischer Kultur, und es beendete gleichzeitig wirkungsvoll den Einsatz von BiTek bei den Adamisten. Ohne Affinitätskontrolle besitzen BiTek-Organismen nur geringen praktischen Wert.
– Aber du hast gesagt, es gäbe eine Menge verschiedener Religionen; wie kann es so viele Götter geben? Es kann doch unmöglich mehr als einen Schöpfer geben, oder? Das ist ein Widerspruch.
– Ein guter Punkt. Ein paar der schlimmsten Kriege in der Geschichte der Erde wurden ganz genau aus diesem Grund geführt. Sämtliche Religionen betrachten ihren Glauben als den einzig wahren. In Wirklichkeit ist jede Religion nur so stark wie die Überzeugung in ihren Anhängern.
Syrinx gab auf.
Sie stützte den Kopf in die Hände und beobachtete die Fische, die sich unter den großen pinkfarbenen Seerosenblättern drängten.
Das alles klang so unglaublich, so an den Haaren herbeigezogen.
– Wie steht es mit dir? fragte sie schließlich Oenone. – Bist du religiös?
– Ich sehe keine Notwendigkeit, für irgend etwas zu einer unsichtbaren Gottheit zu beten. Ich weiß, was ich bin. Ich weiß, warum ich bin. Ihr Menschen scheint daran Freude zu finden, eure eigenen Komplikationen zu erschaffen.
Syrinx erhob sich und glättete ihre schwarze Trauerkleidung. Die Fische tauchten erschrocken über die plötzliche Bewegung in tiefes Wasser. – Na, ich danke recht schön.
– Ich liebe dich, sagte Oenone. – Es tut mir leid, daß dir Sinons Tod so zu schaffen macht. Er hat dich immer glücklich gemacht. Das war gut.
Ich werde nicht mehr weinen, nahm sie sich vor. Daddy ist da, wann immer ich mit ihm reden möchte. Da, das muß bedeuten, daß ich eine korrekt integrierte Persönlichkeit besitze. Also ist alles in Ordnung.
Wenn es nur nicht so weh getan hätte tief in ihrer Brust, ungefähr in der Gegend, wo das Herz saß.
Als sie fünfzehn geworden war, konzentrierte sich ihre Ausbildung auf Dinge, die für einen Schiffskommandanten wichtig waren. Ingenieurswissenschaften, Antriebssysteme, Energieversorgung, Konföderierte Raumgesetze, Astrogation, BiTek-Lebenserhaltungsorgane, Mechanik, Physik von Flüssigkeiten, Supraleitung, Thermodynamik, Fusionsphysik. Zusammen mit Oenone lauschte sie langen Vorlesungen über die Möglichkeiten und Grenzen von Voidhawks. Es gab auch praktische Übungen, beispielsweise die Benutzung von Raumanzügen, die Durchführung von komplizierten Reparaturen in niedriger Schwerkraft oder im freien Fall, Akklimatisierungsausflüge zu den Voidhawk-Simsen draußen vor dem Habitat. Routinearbeiten an Bord von Schiffen.
Syrinx fühlte sich wie geboren für den freien Fall. Der entsprechend erweiterte Gleichgewichtssinn war den Edeniten gentechnisch eingepflanzt, und die Hundert Familien gingen mit ihren Manipulationen noch weiter, indem sie interne Membranen verstärkten und strafften, um höheren Beschleunigungen standzuhalten. Edeniten
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