Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
verabscheuten den Einsatz nanonischer Verstärkungstechnologien, es sei denn, sie hatten keine Alternative dazu.
Als Syrinx zum Teenager herangewachsen war, hatte sie ihren kindlichen Speck verloren (nicht, daß es davon jemals eine bemerkenswerte Menge gegeben hätte), und nach und nach traten ihre endgültigen erwachsenen Züge zutage. Die sorgfältig maßgeschneiderten Gene ihrer Vorfahren hatten ihr ein langes Gesicht zuteil werden lassen, mit leicht eingesunkenen Wangen, die ihre starken Wangenknochen betonten, und einem breiten Mund, der zu einem bezaubernden Lächeln imstande war, wenn sie sich dazu entschloß. Sie war genauso groß wie die meisten ihrer Brüder, und ihre Figur füllte sich zu ihrer vollkommenen Zufriedenheit. Zu dieser Zeit reichte ihr das Haar über den halben Rücken herab, denn sie wußte, daß sie niemals wieder eine Möglichkeit dazu haben würde: sobald sie aktiv in den Dienst trat, würde sie es kurzschneiden müssen. Lange Haare an Bord eines Raumschiffs waren bestenfalls ein ständiges Ärgernis und schlimmstenfalls eine ernsthafte Gefahr.
Mit siebzehn hatte sie eine Affäre mit Aulie, die einen Monat währte.
Aulie war vierundvierzig, womit die ganze Sache von Anfang an keine Chance auf Dauer hatte, aber gerade das machte sie sooo romantisch. Sie genoß ihre Zeit mit Aulie aus vollen Zügen und ohne jede Scham, mindestens genausosehr wegen des Getuschels, das sie bei ihren Freunden und ihrer Familie hervorrief, wie wegen der neuen, ungewohnten Glücksgefühle, die sie unter seinen erfahrenen Händen verspürte. Aulie war jemand, der wirklich ganz genau wußte, was man im freien Fall alles anstellen konnte.
Die Sexualität der jungen Edeniten war eines der häufigsten Gesprächsthemen ihrer adamistischen Altersgenossen und zugleich ein Vorzug, um den sie heftig beneidet wurden. Edeniten mußten keine Angst vor Krankheiten haben, nicht bei ihren Immunsystemen. Die Affinität trug dafür Sorge, daß es keine Probleme mit Eifersucht oder gar besitzergreifender Dominanz gab. Reine, ehrliche Lust war nichts, dessen man sich schämen mußte, es war ein ganz natürlicher Aspekt aufwallender jugendlicher Hormone, und es gab genügend Raum für ehrliche Zweierbeziehungen. Wenn man außerdem bedachte, daß selbst Raumschiffskommandanten nur fünf Stunden am Tag mit ihrer Ausbildung verbrachten und daß die heranwachsenden Edeniten nicht mehr als sechs Stunden Schlaf am Tag benötigten, so blieb ihnen mehr als genug freie Zeit, und sie füllten sie mit dem Abbau sexueller Lust auf eine Weise aus, daß selbst die Römer zutiefst beeindruckt gewesen wären.
Dann kam ihr achtzehnter Geburtstag. Syrinx brachte es fast nicht über sich, an diesem Morgen ihr Elternhaus zu verlassen. Athene hatte ihr übliches fröhliches Gesicht aufgesetzt und ihre Emotionen ganz tief in ihrem Innersten versteckt, doch Syrinx wußte genau, wie sehr ihre Mutter der Anblick aller ihrer zehn Kinder bei den letzten Vorbereitungen schmerzte. Syrinx war nach dem kurzen Frühstück in der Küche geblieben, doch ihre Mutter hatte sie mit einem flüchtigen Kuß nach draußen gescheucht. »Das ist der Preis, den wir alle zahlen«, sagte sie. »Und glaub mir, er ist es wert.«
Syrinx und ihre Geschwister stiegen in die Druckanzüge und marschierten auf das innerste Sims der nördlichen Abschlußkappe hinaus. Die Schwerkraft betrug nur ein Viertel des Üblichen, und sie kamen in langen Sprüngen voran. Draußen vor den Luftschleusen arbeiteten zahlreiche Menschen, Servicepersonal und die Besatzungen von Voidhawks, die zur Zeit im Dock lagen. Sie alle erwarteten gespannt die Ankunft der neuen Voidhawks. Die Aufregung, die dieses Ereignis bei den Bewohnern des Habitats hervorrief, überraschte Syrinx, doch es half ihr zumindest, ihre eigenen Nerven ein wenig zu beruhigen.
– Ich bin diejenige, die nervös sein müßte, protestierte die Oenone.
- Warum denn das? Für dich ist das doch alles ganz selbstverständlich.
– Ha!
– Bist du soweit?
– Wir könnten vielleicht noch ein wenig warten. Möglich, daß ich noch ein Stückchen wachse.
– Du bist seit zwei Monaten nicht mehr gewachsen. Und du bist eh groß genug.
– Ja, Syrinx, sagte das Raumschiff so ergeben, daß sie lächeln mußte.
– Komm schon, Oenone. Vergiß nicht, daß ich in Hazat verliebt war. Es war eine wunderbare Zeit.
– Du willst doch wohl nicht allen Ernstes Sex mit Raumfahrt vergleichen? Außerdem würde ich das nicht verliebt nennen,
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