Armageddon 01 - Die unbekannte Macht
glitt gelassen zwischen einer Armada aus dreieckigen Baumwollsegeln hindurch, die in der frischen Brise flatterten.
Abends, wenn der Himmel am westlichen Horizont in einem tiefen Orangerot flammte und senkrecht über ihren Köpfen die Sterne zum Vorschein kamen, wurden in den Dörfern Freudenfeuer angezündet. Gerald Skibbow, der in der ersten Nacht an der Reling stand und das Schauspiel betrachtete, wurde von einer unaussprechlichen Sehnsucht erfaßt. Das schwarze Wasser reflektierte lange orangefarbene Bahnen der Lagerfeuer. Gerald schnappte Fetzen von Liedern auf. Die Einheimischen sangen, während sie sich für das gemeinschaftliche Essen versammelten.
»Ich hätte nie gedacht, daß es so wunderbar sein könnte«, sagte er zu seiner Frau Loren.
Sie lächelte zu ihm auf, und er nahm sie in die Arme. »Es sieht so hübsch aus«, sagte sie. »Wie in einem alten Märchen.«
»Dieses Leben wartet auch auf uns, wenn wir es wollen. Oben am Ende unserer Reise. In zehn Jahren sind wir es, die um das Lagerfeuer tanzen, während auf dem Fluß die Schiffe vorbeifahren.«
»Und die neuen Kolonisten stehen an der Reling und sehen uns zu und träumen.«
»Unser Haus ist bis dahin längst fertig. Ich werde für uns einen Palast aus Holz errichten, und du wirst darin leben, Loren. In einem kleinen Palast, um den uns selbst der König von Kulu beneiden wird. Und du wirst einen Garten voller Gemüse und Blumen hegen, während ich draußen im Obstgarten arbeite oder mich um das Vieh kümmere. Paula und Marie leben in der Nachbarschaft, und unsere Enkel werden uns beide um die Füße herumlaufen.«
Loren drückte ihn fest an sich. Er hob den Kopf und stieß einen Freudenschrei aus. »Mein Gott, wie konnten wir nur so viele Jahre auf der Erde verschwenden? Dies ist der Ort, wo wie hingehören. Wo wir alle hingehören, Loren. Wir sollten unsere Arkologien und unsere Raumschiffe verschrotten und leben, wie es der Herr für uns bestimmt hat, das sollten wir!«
Ruth und ihre Tochter Jay standen zusammen an der Heckreling und beobachteten, wie die Sonne hinter dem Horizont versank und den weiten Fluß für ein oder zwei magische Minuten mit einer Aura aus purpur-goldenem Licht krönte.
»Hör nur, Mami, wie sie singen!« sagte Jay. Ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck von Gelassenheit. Der entsetzliche Leichenfund des Vortags war lange vergessen; Jay hatte sich mit dem großen, beigefarbenen Pferd des Aufsehers angefreundet, das an der Heckreling angebunden war. Diese riesigen schwarzen Augen blickten so sanft und gutmütig, und die weiche Nase auf ihrer Hand kitzelte einfach wundervoll, wenn sie das Tier mit Süßigkeiten fütterte. Sie konnte kaum fassen, daß ein so großes Wesen so sanft und freundlich war. Mister Manani hatte bereits gesagt, daß er Jay das Pferd des Morgens auf dem Deck herumführen lassen würde, damit es Bewegung hatte, und er hatte sogar versprochen, ihr zu zeigen, wie man es striegelte. Die Fahrt an Bord der Swithland war für Jay ein vorweggenommenes Paradies. »Was singen diese Leute, Mami?«
»Klingt wie eine Hymne«, antwortete Ruth. Zum ersten Mal seit ihrer Landung auf Lalonde hatte sie das Gefühl, als sei ihre Entscheidung am Ende doch richtig gewesen. Die Dörfer sahen hübsch aus, und sie wirkten aufgeräumt und gut organisiert. Das Wissen, daß es möglich war, erfolgreich zu siedeln, bedeutete schon fast die halbe Schlacht. Sicher, es würde härter werden, weil sie weiter von der Hauptstadt entfernt wären, aber es wäre nicht unmöglich. »Ich kann sie gut verstehen.«
Der Wind war abgeklungen, und die Flammen der Lagerfeuer stiegen senkrecht in den nächtlichen Sternenhimmel. Trotzdem trieb das Aroma von köstlichem Essen über das Wasser zur Swithland und ihren beiden Schwesterschiffen. Der Geruch nach frisch gebackenem Brot und dicken, würzigen Eintöpfen setzte Quinns Magen höllisch zu. Man hatte den Zettdees nur kaltes Fleisch und eine Frucht gegeben, die wie eine Orange aussah, nur daß die Haut purpurblau schimmerte und die Frucht salzig schmeckte. Die Kolonisten hatten ausnahmslos warmes Essen erhalten. Verdammte Bastarde. Wenigstens folgten die Zettdees nach und nach seiner Führung, und das war immerhin etwas. Er saß auf der Vorderkante des Schiffsaufbaus und starrte nach Norden, weg von diesen verdammten mittelalterlichen Bruchbuden, bei deren Anblick die dämliche Bande von Kolonisten feuchte Augen bekam.
Der Norden war dunkel, und das gefiel Quinn. Die Dunkelheit kam in
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