Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
daß Elektrizität der Schlüssel war, um Bonney Levine zu entdecken, wenn sie ihre energistischen Kräfte einsetzte, um seine visuelle Observation zu überlisten. Eine Reihe extrem empfindlicher Routinen, die inzwischen Rubras eigene biolektrische Funktionen überwachten, konnten einen Besessenen manchmal allein als Folge der statischen Störungen entdecken. Im Grunde genommen hatte Rubra das gesamte Polypmaterial in einen einzigen großen Sensor verwandelt, der genau auf diese Störungen reagierte. Nicht besonders zuverlässig, aber Rubra verfeinerte die Routinen ständig.
Er verfolgte die gespenstische Erscheinung bis zum Vestibül des siebenundzwanzigsten Stockwerks zurück, wo sie sich in Richtung der Muskelmembrantür bewegte. Optisch war das Vestibül leer. Zumindest nach seinen lokalen autonomen Subroutinen zu urteilen. Der Stromfluß in einem der organischen Leiterkabel hinter der Wand schwankte unmerklich.
Rubra reduzierte die Energie der elektrophosphoreszierenden Zellen an der Decke des Polyps. Ein paar Sekunden lang veränderte sich das optische Bild nicht, dann verdunkelte sich der Raum. Es hätte augenblicklich geschehen müssen. Was auch immer die elektrischen Störungen verursacht hatte, hörte auf, sich zu bewegen.
Rubra öffnete einen gesicherten Kanal zu Toltons Prozessorblock.
»Setzen Sie sich in Bewegung, Junge. Sie sind Ihnen auf den Fersen.«
Tolton rollte von dem Bett, auf dem er gelegen und gedöst hatte. Er versteckte sich seit fünf Tagen in diesem Appartement. Er hatte die Garderobe des ursprünglichen Bewohners durchstöbert und sich neu eingekleidet, und er hatte eine gute Anzahl MF-Alben und Sens-O-Vis-Pornos in der Lounge konsumiert. Und er hatte sämtliche importierten Delikatessen in der Küche gekostet, hatte edle Weine und jede Menge Norfolk Tears dazu getrunken. Für einen armen poetischen Prediger hatte er sich mit geradezu erstaunlicher Leichtigkeit an diesen neuen Hedonismus gewöhnt.
Kein Wunder, daß er jetzt undankbar das Gesicht verzog, während er seine Lederhose von der Lehne zerrte und sich hineinzwängte.
»Wo sind sie?«
»Zehn Stockwerke über Ihnen«, beruhigte ihn Rubra. »Keine Sorge, uns bleibt jede Menge Zeit. Ich habe bereits einen Fluchtweg vorbereitet.«
»Ich habe nachgedacht. Vielleicht sollten Sie mich zu einem Waffendepot oder so etwas führen. Ich könnte versuchen, die Rechnung ein wenig auszugleichen.«
»Wir wollen uns lieber auf das Wesentliche konzentrieren, ja? Außerdem, wenn Sie nahe genug an einen Besessenen herankommen, um eine Waffe einzusetzen, dann ist er auch nahe genug, um Sie anzugreifen.«
Tolton blickte zur Decke hinauf. »Sie meinen, ich könnte das nicht?«
»Ich danke Ihnen wirklich für das Angebot, mein Freund, aber es sind einfach zu viele. Sie in Freiheit zu behalten ist mein Sieg über die Besessenen, verderben Sie mir das nicht.«
Tolton hakte den Prozessorblock in seinem Gürtel fest und band sein langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammen. »Danke, Rubra. Ich glaube, wir alle haben Sie ganz falsch eingeschätzt. Ich meine, wahrscheinlich ist es Ihnen scheißegal, aber wenn diese Geschichte vorbei ist, werde ich der ganzen Konföderation erzählen, was Sie getan haben.«
»Das wäre ein MF-Album, das sogar ich kaufen würde. Das erste seit vielen Jahrzehnten.«
Tolton trat zur Tür des Appartements, atmete mehrmals tief durch, streckte und dehnte sich wie ein Hochleistungssportler, nickte knapp und sagte dann: »In Ordnung. Dann wollen wir mal.«
Rubra verspürte ein hartnäckiges Gefühl von Sympathie und – merkwürdig genug – Stolz, als der Poet hinaus in das Vestibül trat. Als Kiera mit der Übernahme von Valisks Einwohnern begonnen hatte, war Rubra fest überzeugt gewesen, daß Tolton sich höchstens ein paar Tage halten würde. Jetzt war er einer von achtundvierzig Menschen, die noch nicht besessen waren. Einer der Gründe, weswegen er so lange durchgehalten hatte, war die Tatsache, daß er Rubras Anweisungen buchstabengetreu ausführte. Mit einem Wort: Er vertraute Rubra. Und Rubra wollte verdammt sein, wenn er zuließ, daß Bonney ihn jetzt noch bekam.
Die unsichtbare energistische Störung hatte sich wieder in Bewegung gesetzt; sie führte die Treppe hinunter. Rubra machte sich daran, den photonischen Ausstoß der elektrophosphoreszierenden Zellen des Treppenhauses zu manipulieren. HALLO BONNEY, schrieb er an die Decke. ICH MOECHTE IHNEN EINEN VORSCHLAG MACHEN.
Die energistische Störung hielt
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