Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
sind wir Fremde, die mitten während einer konföderationsweiten Quarantäne eingetroffen sind. Das kann man kaum als optimale Unauffälligkeit bezeichnen. Ich möchte unser Risiko minimieren.«
»Leibwächter sind keine schlechte Idee«, sagte Alkad nüchtern. »Gehen Sie und ruhen Sie sich ein wenig aus, bevor wir zum Büro der Opia fahren. Sie haben nicht mehr geschlafen, seit wir gelandet sind. Ich brauche sie frisch für die anstehenden Verhandlungen.«
Voi nickte mißtrauisch, doch dann verschwand sie widerspruchslos im Schlafzimmer.
Alkad und Eriba wechselten einen Blick und grinsten sich an.
»Hat sie wirklich ›optimale Unauffälligkeit‹ gesagt?« fragte er.
»Klang jedenfalls so.«
»Meine Güte, diese Detoxikationstherapie war wirklich keine gute Idee.«
»Wie war sie denn vorher?«
»Ungefähr genauso«, gestand er.
Alkad wandte sich wieder dem Fenster zu und betrachtete den Schnee, der die Skyline der Stadt verhüllte.
Der Türsummer ging erneut.
»Haben Sie etwas beim Zimmerservice bestellt?« fragte sie Eriba.
»Nein.« Er blickte ängstlich zur Tür. »Könnten es die Leibwächter sein, die Voi engagiert hat?«
»Dann wären sie verdammt früh dran. Und wenn sie halbwegs professionell sind, melden sie sich vorher per Datavis bei uns.« Sie nahm ihren Rucksack an sich und kramte darin. Dann befahl sie dem Netzprozessor des Penthouses, das Bild der Kamera im Korridor zu übertragen. Keine Reaktion. Die Wandbeleuchtung aus Kristallglas begann unregelmäßig zu flackern. »Halt!« sagte sie zu Eriba, der seine Laserpistole gezogen hatte. »Die nutzt Ihnen gar nichts gegen die Besessenen.«
»Glauben Sie …?«
Er brach ab, als Voi aus ihrem Schlafzimmer gestürzt kam. Sie hielt einen Maserkarabiner in der Hand.
Die Tür des Penthouses schwang auf. Drei Leute standen im Eingang; ihre Gesichtszüge waren im Dunkel des Korridors nicht zu erkennen.
»Kommen Sie lieber nicht herein«, sagte Alkad laut. »Meine Waffen werden funktionieren, selbst gegen Wesen wie Sie.«
»Sind Sie sicher, Dr. Mzu?«
Teilbereiche von Alkads neuraler Nanonik schalteten sich ab. Hastig übermittelte sie per Datavis den Kode, der die kleine Kugel in ihrer Hand scharf machte, bevor ihre Nanonik ganz ausfallen konnte. »Ziemlich sicher. Wollen Sie die ersten Laborratten sein?«
»Noch immer ganz die alte, wie? Sie hatten immer soviel Zuversicht, daß Ihr Weg der richtige war.«
Alkad runzelte die Stirn. Es war eine weibliche Stimme, und sie kam ihr bekannt vor, aber sie wußte nicht woher.
Und ihre neurale Nanonik besaß nicht mehr genügend Rechenleistung, um einen Stimmvergleich mit den Mustern in ihrer Datenbank durchzuführen.
»Kenne ich Sie?«
»Früher einmal. Dürfen wir bitte hereinkommen? Wir wollen Ihnen wirklich keinen Schaden zufügen.«
Seit wann baten Besessene um Erlaubnis? Alkad dachte einen Augenblick nach, dann sagte sie: »Einer von Ihnen reicht zum Reden. Und falls Sie keine Bedrohung darstellen, dann hören Sie auf, unsere Elektronik zu stören.«
»Die letzte Bitte ist ein wenig schwierig zu erfüllen, aber wir geben uns Mühe.«
Alkads neurale Nanonik reaktivierte sich.
Schnell vergewisserte sie sich, daß sie wieder die volle Kontrolle über die kleine Kugel in ihrer Hand hatte.
»Ich rufe die Polizei«, sagte Voi per Datavis. »Sie können eine taktische Einsatztruppe schicken. Die Besessenen werden nichts davon merken, bis es zu spät ist.«
»Nein. Wenn sie gekommen wären, um uns anzugreifen, dann hätten sie es längst getan. Ich denke, wir hören uns an, was sie zu sagen haben.«
»Sie sollten sich keinem unnötigen Risiko aussetzen, Alkad. Sie sind die einzige Verbindung, die wir zum Alchimist haben.«
»Ach, halten Sie die Klappe«, entgegnete Alkad laut. »Also schön, kommen Sie rein.«
Die junge Frau, die in die Penthouse-Lounge trat, war vielleicht Anfang Zwanzig. Ihre Hautfarbe war ein paar Töne heller als die von Alkad, doch ihr Haar war pechschwarz, und ihr Gesicht wurde von zuviel Fett umrahmt, um wirklich hübsch zu sein. Es fixierte ihren Ausdruck zu kontinuierlicher scheuer Ablehnung. Sie trug ein langes Sommerkleid mit Tartanmuster, zusammen mit einem karierten Kilt, wie es auf Garissa im Jahr vor dem Genozid Mode gewesen war.
Alkad startete ein visuelles Vergleichsprogramm in ihren Speicherzellen. »Gelai? Gelai, sind Sie das wirklich?«
»Meine Seele, ja, Dr. Mzu«, antwortete die junge Frau. »Nicht mein Körper. Das hier ist nur eine Illusion.«
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