Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
Einen Augenblick lang waberte die solide Erscheinung, und darunter erschien eine orientalisch aussehende junge Frau mit frisch verheilten Narben auf den Beinen.
»Heilige Mutter Maria!« krächzte Alkad. Bis zu diesem Augenblick hatte sie gehofft, daß die Geschichten über Foltern und Greueltaten nichts als konföderierte Propaganda waren.
Gelais normales Aussehen kehrte zurück. Die Enthüllung war so rasch vorbei, daß Alkads Verstand glauben wollte, es sei die echte Gelai, die da vor ihr stand; das gequälte Mädchen verdrängte sie schicklich.
»Was ist geschehen?« fragte Alkad.
»Sie kennen sie?« fragte Voi indigniert.
»O ja. Gelai war eine meiner Studentinnen.«
»Keine von Ihren besten, wie ich leider gestehen muß, Dr. Mzu.«
»Wenn ich mich recht erinnere aber auch keine von meinen schlechtesten.«
»Das beruhigt mich ungemein«, sagte Voi. »Aber Sie haben uns immer noch nicht gesagt, warum Sie gekommen sind.«
»Ich wurde bei der Bombardierung von Garissa getötet«, sagte Gelai. »Der Campus der Universität befand sich nur fünfhundert Kilometer von einem der Explosionszentren entfernt. Das Erdbeben hat die Universität bis auf die Grundmauern zerstört. Ich war im Wohnzimmer meines Appartements, als es geschah. Der thermische Blitz hat das halbe Gebäude in Flammen aufgehen lassen. Dann kam das Beben. Maria weiß, wie stark es gewesen ist. Ich hatte Glück, schätze ich. Ich starb noch in der ersten Stunde. Das war halbwegs schnell. Zumindest im Vergleich mit dem, was viele andere erlitten haben.«
»Es tut mir so leid«, sagte Alkad leise. Sie hatte sich selten so wertlos gefühlt wie in diesem Augenblick, angesichts der Konfrontation mit dem sichtbaren Beweis des größten Versagens, das für jemanden wie sie nur denkbar war. »Ich habe versagt. Ich habe Sie enttäuscht. Ich habe jeden enttäuscht.«
»Wenigstens haben Sie es versucht«, sagte Gelai. »Damals war ich dagegen. Ich habe an den Friedensdemonstrationen teilgenommen. Wir hielten Nachtwachen vor dem kontinentalen Parlamentsgebäude und haben Hymnen gesungen. Aber die Medien meinten, wir wären Feiglinge und Verräter. Die Menschen haben uns auf der Straße angespuckt. Ich habe trotzdem weitergemacht, habe protestiert. Ich dachte, wenn wir unsere Regierung dazu bringen könnten, mit den Omutanern zu verhandeln, dann würden die Militärs aufhören mit ihren Angriffen. Heilige Mutter Maria, wie naiv bin ich doch damals gewesen!«
»Nein, Gelai, Sie waren nicht naiv. Sie waren tapfer. Wenn genug von uns für den Frieden eingestanden wären, dann hätte sich die Regierung wahrscheinlich stärker bemüht, eine friedliche Lösung zu finden.«
»Aber sie hat es nicht getan, oder?«
Alkad streichelte Gelais Wange mit den Fingerspitzen, berührte eine Vergangenheit, die sie weit hinter sich geglaubt hatte; Ursache für das, was heute war. Und als sie die falsche Haut spürte, wurde ihr bewußt, daß alles, was sie damals getan hatte, richtig gewesen war. »Ich wollte Sie beschützen. Ich dachte, ich hätte meine Seele dem Teufel verkauft, damit Sie alle sicher sein können. Es war mir egal. Ich dachte, Sie wären das Opfer wert, all diese hellen jungen Köpfe, so voller naiver Hoffnung und stolzer Ideale. Ich hätte es auch für Sie getan, Gelai. Ich hätte Omutas Stern zerstört, das größte Verbrechen in der Galaxis. Und jetzt ist nichts mehr von unserem Volk außer Leuten wie diesen übrig.« Sie winkte schwach in Vois Richtung. »Ein paar tausend Kinder, weiter nichts. Sie leben im Innern von Felsen, die ihre Köpfe wirr machen. Ich weiß nicht, wer von Ihnen das schlimmere Schicksal erleiden mußte. Wenigstens hatten Sie eine Ahnung, wozu unser Volk imstande gewesen wäre, wenn es überlebt hätte. Diese neue Generation ist der armselige Überrest dessen, was hätte sein können.«
Gelai schürzte die Lippen und starrte zu Boden. »Ich war nicht sicher, was ich tun würde, als ich hierherkam. Sie warnen oder Sie töten.«
»Und jetzt?«
»Mir war nicht bewußt, warum Sie es getan haben. Warum Sie fortgegangen sind, um den Militärs zu helfen. Sie waren die distanzierte Professorin, vor der wir alle Ehrfurcht hatten; sie waren so klug. Wir haben Sie respektiert; ich hätte niemals geglaubt, daß Sie zu menschlichen Regungen fähig sind. Ich habe Sie für einen Klumpen unterkühltes BiTek auf zwei Beinen gehalten. Ich sehe jetzt, daß ich mich geirrt habe, obwohl ich noch immer glaube, daß es falsch war, etwas so Böses wie
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