Armageddon 04 - Der Neutronium-Alchimist
hinspringen.«
»In Ordnung.« Und endlich wurde der Traum Wirklichkeit, genau wie Liol es immer gewußt hatte. Der Bordrechner der Lady Macbeth stand ihm zur Verfügung, alle Systeme waren online, und sein Kopf füllte sich mit wunderbaren Diagrammen. Er fühlte sich wie dazu geschaffen.
Liol wählte die prozeduralen Menüs, die er benötigte, und fuhr die Korrekturtriebwerke und Fusionsantriebe hoch. Beaulieu und Sarha arbeiteten blind zusammen und aktivierten die restlichen Bordsysteme. Versorgungsschläuche zogen sich aus den Anschlüssen im Rumpf der Lady, und das Andockgerüst setzte sich in Bewegung, um das Schiff aus seinem flachen Nest zu heben. Das Sichtfeld, das der Bordrechner per Datavis übermittelte, weitete sich beträchtlich, als weitere Sensoren über den Rand des Docks ragten. Drei feindselig leuchtende hellrote Sterne expandierten langsam, während sie über den strahlend blauen Horizont auf ihre Position zugekrochen kamen.
Liol feuerte die Korrekturtriebwerke, um die Lady von ihrem Landegestell zu heben. Es war ihm egal, ob Sarha und Beaulieu das dümmliche Grinsen sehen konnte, das sich in sein Gesicht geschlichen hatte. Einen Augenblick lang kehrten all der Neid und die Bitterkeit zurück, die irrationale Wut, die er verspürt hatte, als er zum ersten Mal von Joshuas Existenz erfuhr, einem Bruder, der widerrechtlich das Schiff kommandierte, das eigentlich Liols Erbe war. Das hier war sein Augenblick. Endlich gebot er über die Macht, die gesamte Galaxis zu durchstreifen.
Eines Tages würden er und Joshua die Sache regeln müssen.
Aber nicht heute. Heute war der Tag, an dem er sein Können vor Joshua und seiner Besatzung unter Beweis stellen würde.
Heute war der Tag, an dem er endlich das Leben zu leben begann, von dem er immer gewußt hatte, daß er dafür geschaffen war.
Als sie hundert Meter über dem Dock schwebten, zündete Liol den Sekundärantrieb und beschleunigte mit einem Drittel g. Die Lady Macbeth brach augenblicklich aus der vorberechneten Bahn. Er übermittelte hastig einen Korrekturbefehl an den Bordrechner und lenkte den Winkel des Abgasstrahls um. Zuviel. »Ooooh Scheiße!« Das Sicherheitsnetz der Beschleunigungsliege umschloß ihn fester.
»Der Hangar des Raumflugzeugs ist leer«, sagte Sarha verächtlich. »Das bedeutet, daß die Masseverteilung nicht mehr zentriert ist. Vielleicht würdest du das Kalibrierungsprogramm starten?«
»’tschuldigung.« Er suchte hektisch in den Kontrollmenüs und fand das richtige Programm. Die Lady Macbeth kehrte schwankend auf ihren vorberechneten Vektor zurück.
»Joshua wird mich wahrscheinlich aus der Luftschleuse werfen«, brummte Sarha.
Lodi hatte einige Zeit gebraucht, um sich daran zu gewönnen, daß Omain bei ihm in der Hotelsuite saß. Ein Besessener, heilige Mutter Maria! Doch Omain stellte sich als leiser, höflicher Mensch heraus (er wirkte ein wenig traurig, um ehrlich zu sein), der sich bemühte, ihr aus den Füßen zu bleiben. Langsam entspannte sich Lodi wieder, auch wenn dies ganz bestimmt die seltsamste Episode in seinem Leben war. Nichts würde jemals wieder so unheimlich sein.
Zuerst war er jedesmal zusammengezuckt, wenn Omain auch nur den Mund geöffnet hatte. Inzwischen sah er die Sache einigermaßen gelassen. Seine Prozessorblocks lagen ausgebreitet auf einem der Tische; mit ihrer Hilfe setzte er Fangprogramme in die Datennetze und fischte relevante Informationen heraus. Darin war er am besten, weswegen Voi ihn gelassen hatte, während sie zusammen mit Mzu und Eriba zur Opia-Company unterwegs war. Seine gegenwärtigen Anstrengungen galten der Beobachtung der zivilen Lage, nachdem die Regierung die Grenzen geschlossen hatte. Voi wollte sichergehen, daß man sie ungehindert in den Orbit zurückkehren ließ. Soweit sah alles ganz gut aus. Sie hatten sogar Glück gehabt, zum ersten Mal, seit sie auf Nyvan angekommen waren. Ein Raumschiff namens Lady Macbeth hatte an der Spirit of Freedom angedockt, und es war ganz genau die Sorte Schiff, die Mzu suchte.
»Sie fragen nach ihr«, sagte Omain.
»Hm?« Lodi deaktivierte die Datavis-Displays und blinzelte, um das Nachbild von seiner Netzhaut zu vertreiben.
»Capones Leute sind im Orbit«, erklärte Omain. »Sie wissen, daß Mzu hier ist. Sie fragen nach ihr.«
»Du meinst, du kannst sagen, was im Orbit geschieht? Mutter Maria! Ich kann das nämlich nicht, nicht bei all den Störungen durch die Verteidigungsplattformen.«
»Nicht genau. Es ist wie …
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