Armageddon 05 - Die Besessenen
nicht mehr von ihrem Gesicht weichen wollte.
Eine richtige irdische Arkologie. London! Von hier sind unsere Vorfahren gekommen! Zu Hause. Nun ja, so ähnlich. Wie absolut, absolut gewaltig! Es war das völlige Gegenteil des Alptraums, zu dem Norfolk bei ihrer hastigen Flucht geworden war. Diese Welt besaß eine massive Verteidigung, und die Menschen auf der Erde konnten tun, was immer sie wollten mit diesen unglaublichen Maschinen, die ihnen alle Arbeit abnahmen. Sie hielt Louises Hand fest gepackt, als die beiden Schwestern auf die Rolltreppe traten. »Und wohin jetzt?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Louise. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund war sie völlig gelassen. »Komm, wir sehen, was dort oben auf uns wartet, ja?«
Die Rolltreppe brachte sie in eine gewaltige kuppelförmige Kaverne. Es sah aus wie in der Ankunftshalle der Mount-Kenya-Station, nur noch viel größer. Die Basis der Wände war durchlöchert von Tunnels, die zu Aufzügen oder weiteren Bahnsteigen des lokalen Schienennetzes führten. Hell leuchtende Hologramme schwirrten fünf Meter über den Köpfen der Passanten durch die Luft und wichen einander mit traumwandlerischer Sicherheit aus. Genau im Zentrum der Kuppel erhob sich eine einzelne ausgestellte Säule, die das Dach im Apex stützte.
»Das ist ja nur ein weiterer Bahnhof«, sagte Genevieve nicht wenig enttäuscht. »Wir sind noch immer unter der Erde.«
»Sieht ganz danach aus.« Louise blickte nach oben. Schwarze Punkte jagten zwischen den Hologrammkugeln hin und her wie statische Störungen. Sie lächelte und zeigte es ihrer Schwester. »Sieh nur, richtige Vögel.«
Genevieve wirbelte herum und verfolgte die launischen Flugbahnen der Tiere. Es waren alle möglichen Arten, angefangen bei frechen braunen Spatzen bis hin zu leuchtend smaragd- und türkisfarbenen Papageien.
»Ich schätze, wir sollten uns ein Hotel suchen«, sagte Louise. Sie nahm ihre Umhängetasche nach vorn, um den Prozessorblock herauszufischen.
Genevieve zupfte an ihrem Arm. »Oh, bitte, Louise! Können wir nicht zuerst an die Oberfläche gehen? Ich möchte sie unbedingt sehen! Ich werde ganz brav sein, ich verspreche es! Bitte!«
Louise warf die Umhängetasche wieder nach hinten. »Ich hätte selbst nichts gegen einen Blick.« Sie studierte die leuchtenden Wegweiser und fand einen, der vielversprechend aussah. »Komm, wir gehen.« Sie nahm Genevieves Hand. »Hier entlang.«
Sie stiegen in einen Aufzug zur Oberfläche und kamen in einem pseudo-hellenistischen Tempel in der Mitte einer großen Plaza heraus, die von zahlreichen Statuen und großen alten Eichen gesäumt war. Eine kleine Gedenkplakette auf einer alten Säule erinnerte an die ehemaligen Oberflächengebäude und eisernen Schienenstränge des Bahnhofs. Louise trat aus dem Schatten des Tempels und wanderte ein paar Yards ziellos umher, bis sie schließlich innehielt. Es war, als würde sich die Arkologie in einzelnen Segmenten vor ihr ausbreiten. Sobald ihr Verstand das eine Segment erkannt hatte, kam das nächste zum Vorschein und wartete darauf, begriffen zu werden.
Obwohl Louise nichts davon wußte, war King’s Cross das geographische Herz der gewaltigen Kuppel von Westminster, die mit einem Durchmesser von dreißig Kilometern den größten Teil der ursprünglichen Londoner Innenstadt überspannte, von Brentford im Westen bis nach Woolwich im Osten. Seit die ersten kleinen Schutzkuppeln über London errichtet worden waren (zu Beginn gerade vier Kilometer im Durchmesser – mehr war mit den Baustoffen und Materialien des einundzwanzigsten Jahrhunderts nicht möglich gewesen), war jedes Gebäude von historischer oder architektonischer Bedeutung unter Denkmalschutz gestellt worden – im Grunde genommen jedes Haus, das nicht aus Beton erbaut worden war. Zu der Zeit, als die Westminster-Kuppel über dem ursprünglichen Schirm aus altersschwachen Wetterschirmen errichtet wurde, hatten die umliegenden Stadtteile signifikante Veränderungen durchgemacht, doch jeder Londoner von der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts an hätte sich problemlos in der Innenstadt zurechtgefunden. Es war eines der größten bewohnten Museen auf dem gesamten Planeten.
Was für die neun kleineren Kuppeln rings um Westminster allerdings nicht galt. London besaß keine Megatürme wie New York, trotzdem lebten unter den geodätischen Kristallkuppeln der Arkologie zweihundertfünfzig Millionen Menschen. Die äußeren Kuppeln waren Zweckgebäude, und jede bedeckte eine
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