Armageddon 05 - Die Besessenen
brachten. Der weiße Dunst verschwand genauso rasch, wie er entstanden war, als er sich durch die Rampe nach oben verflüchtigte.
Sie standen auf und blickten sich suchend um. Die Rampe mündete in einen Schnittpunkt aus acht Korridoren. Jeder der Durchgänge war mit einem Signallicht markiert. Das Eis auf den Böden war leicht uneben, wie Kopfsteinpflaster, das von jahrhundertelangem Darübergehen ausgetreten war. Nichts sonst wies darauf hin, daß die Archäologen jemals hiergewesen waren.
»An dieser Stelle sollten wir uns aufteilen«, sagte einer der Serjeants per Datavis. »Zwei von uns werden falsche Hitzespuren legen, während die anderen auf dem schnellsten Weg zu Ring fünf weitergehen.«
Monica aktivierte die Karten der archäologischen Expedition und verband sie mit ihrem eigenen Trägheitsleitsystem. Orangefarbene Diagramme überlagerten ihre Sensorsicht und zeigten den Korridor an, der zu Ring fünf führte. Sie nahm eine weitere der kleinen BiTek-Scheiben aus dem Dispenser und klebte sie an die Wand. »In Ordnung. Sie beide decken uns den Rücken. Die Tyrathca sind in zwanzig Minuten hier. Oski, Renato, gehen wir.«
Die vier Menschen und die zwei Serjeants setzten sich mit weiten Sprüngen durch den Korridor in Bewegung. Sie kamen in der niedrigen Schwerkraft von vielleicht einem Drittel Erdstandard schnell voran.
Iones vierfaches Bewußtsein spaltete sich um so stärker in vier individuellere, unabhängige Identitäten, je weiter sich die Serjeants voneinander entfernten. Eines der BiTek-Konstrukte wandte sich einem Korridor zu, der nach dem Lageplan zu urteilen zu einer chemischen Fabrik oder etwas Ähnlichem führte. Ione zog eine Laserpistole und regelte den Energieausstoß auf minimale Leistung und einen willkürlich gestreuten Impuls von drei Sekunden Dauer. Während sie mit weiten Sprüngen losmarschierte, schwenkte sie den Lauf in kleinen Bögen vor sich auf dem Boden hin und her. Warme Stellen erblühten unter ihren Füßen – nicht warm genug, um das Eis zu schmelzen, aber ausreichend, um einen infraroten Abdruck zu hinterlassen. Für einen Sensor mußte es aussehen, als wären mehrere Menschen neben ihr hergegangen.
Die Dunkelheit außerhalb des Lichtkegels ihrer Anzugscheinwerfer war absolut. Sie wirkte in beunruhigendem Maße isolierend, was durch den engen Affinitätskontakt mit den drei anderen Serjeants und Samuel nur wenig gedämpft wurde.
Die anderen Mitglieder des Teams verspürten das gleiche dumpf beunruhigende Gefühl. Monica hatte inzwischen die Führung übernommen, und automatische Gleichgewichtsprogramme sorgten für geschmeidige und sichere Bewegungen in der niedrigen Gravitation. Trotz der deprimierenden Umgebung sorgte ihr rasches Vorankommen für wachsende Zuversicht. Monica hatte eine Menge Bedenken wegen der gesamten Mission, doch dieser Teil hier machte ihr am meisten zu schaffen. Während des Fluges hierher hatte sie sich Tanjuntic-RI immer und immer wieder als einen großen Trümmerhaufen vorgestellt, ganz ähnlich dem Ruinenring. Die Wirklichkeit sah weit besser aus. Das Innere der Arche war noch weitgehend erhalten, wenn auch vernachlässigt und kalt. Monica konnte sich sogar vorstellen, daß der alte Sternenwanderer wieder zum Leben erwachte. Falls es gelang, die Fusionsgeneratoren wieder in Betrieb zu nehmen und Energie durch das Leitungsnetz zu schicken, dann würde es nicht lange dauern, bis Wärme und Licht zurückgekehrt wären.
»Warum haben sie ihre Arche überhaupt aufgegeben?« fragte sie. »Warum haben sie nicht an einem Asteroiden angedockt und Tanjuntic-RI als fertige Basis für ihre Mikroschwerkraft-Industrie eingesetzt?«
»Wegen des Aufwands, der zur Instandhaltung nötig wäre«, antwortete Oski per Datavis. »Die gesamte Konstruktion ist untereinander verzahnt und abhängig. Man kann nicht einen einzelnen Biosphärenring aktivieren und die anderen nicht. Und außerdem ist die Arche riesig. Es wäre einfach unökonomisch gewesen, Tanjuntic-RI funktionsfähig zu halten. Da war es schon besser, kleinere, aber ökonomische Asteroidenhöhlen neu zu graben.«
»Eine Schande. Die Tyrathca hätten ein Vermögen damit machen können, ihre Arche als menschliche Touristenattraktion zu verkaufen.«
»Das liegt an ihrem unglaublichen Phlegma. Es ist ihnen einfach egal.«
Fünf Minuten später hatten sie die erste Kaverne auf der zweiten Ebene erreicht, eine Kuppel von gut zweihundert Metern Höhe, deren Wände von Unmengen von Rohren verdeckt waren.
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