Armageddon 06 - Der nackte Gott
alles. Eine magische, unsichtbare Klinge mit meinem Verstand festgehalten und so lange geschnitzt, bis ich die Form hatte, die ich wollte. Die Natur dieser Materie hat sich dadurch aber nicht geändert.« Sie blickte sich im Hof um; die üblichen Arbeiter saßen in den spärlichen schattigen Flecken entlang der Mauern und machten ihre Mittagspause. Mehrere Augenpaare verfolgten träge ihre Unterhaltung. »Los, komm nach drinnen«, sagte sie.
Selbst nach all der Zeit, die sie sich in den Wäldern versteckt gehalten hatte, und mit ihren neuen Kräften, wollte es ihr nicht gelingen, das Innere des Wagens ordentlich zu halten. Luca blickte höflich zur Seite, während sie ein paar Kleidungsstücke vom Stuhl nahm und ihm anschließend mit einer Handbewegung bedeutete, Platz zu nehmen. Sie selbst setzte sich auf das Bett. »Ich wollte nicht in Gegenwart von Susannah damit anfangen, aber ich denke, ich muß mit jemandem darüber reden.«
»Worüber denn?« fragte er vorsichtig.
»Ich glaube nicht, daß es nur mit Unterernährung zu tun hat. Ich konnte harte Knoten unter seiner Haut spüren. Würde er nicht so offensichtlich immer weiter abmagern, würde ich sagen, daß ihm neue Muskeln wachsen. Nur, daß es sich nicht wie Muskelgewebe angefühlt hat.« Sie biß sich auf die Unterlippe. »Damit bleiben eigentlich nicht mehr viele Möglichkeiten.«
Luca benötigte einige Zeit, um zu begreifen, was sie gesagt hatte. Hauptsächlich, weil er sich verzweifelt bemühte, die Schlußfolgerung zu vermeiden. »Tumoren?« sagte er schließlich leise.
»Ich werde ihn richtig untersuchen, wenn ich ihn das erste Mal massiere. Aber ich wüßte nicht, was es sonst sein könnte. Und Luca – es sind höllisch viele Knoten.«
»O Gott im Himmel! Du kannst ihn heilen, oder? In der Konföderation gibt es keinen Krebs mehr wie in meinen Tagen.«
»Die Konföderation hat den Krebs besiegt, ja. Aber es gibt keine einfache Lösung, keine Superpille des siebenundzwanzigsten Jahrhunderts, deren Formel ich abrufen und die ich in meinem Labor zusammenbrauen könnte. Man benötigt funktionierende nanonische Medipacks und Spezialisten, die wissen, wie sie programmiert werden müssen. Norfolk hat weder das eine noch das andere. Ich denke, du solltest allmählich qualifizierte Ärzte kommen lassen. Diese Sache übersteigt meine Fähigkeiten um einige Größenordnungen.«
»O Scheiße!« Er schlug die Hände vor das Gesicht. Seine Finger waren weit gespreizt, und sie zitterten deutlich sichtbar. »Wir können nicht zurück. Wir können einfach nicht zurück!«
»Luca, du hast deinen Körper ebenfalls verändert. Nicht so stark wie Johan, aber du hast es getan. Die Falten geglättet, den Bauch verschwinden lassen. Wenn du möchtest, daß ich dich untersuche, dann mache ich es jetzt. Niemand muß etwas wissen.«
»Nein.«
Zum allerersten Mal spürte sie so etwas wie Bedauern für ihn. »In Ordnung. Falls du deine Meinung doch noch ändern solltest …« Sie machte sich daran, die kleinen Schränkchen ihres Wohnwagens zu öffnen und die Dinge vorzubereiten, die sie mit in Johans Zimmer nehmen wollte.
»Carmitha?« fragte Luca leise. »Was zur Hölle hast du eigentlich getan? Warum bist du für Geld mit Grant ins Bett gegangen?«
»Verdammt, was soll das denn für eine beschissene Frage sein?«
»Du weißt ganz genau, was ich meine. Eine Frau wie du. Du bist klug, du bist jung, du bist verdammt attraktiv. Du hättest unter allen jungen Männern aussuchen können, die du wolltest, selbst unter den Landbesitzerfamilien. Das weiß jeder. Warum also?«
Ihr Arm schoß vor, und sie packte sein Kinn mit einem überraschend festen Griff, so daß er die Augen nicht von ihrem wütenden Gesicht abwenden konnte. »Ich warte schon eine Ewigkeit auf diesen Tag, Grant.«
»Ich bin nicht …«
»Halt den Mund. Du bist Grant, oder zumindest hörst du zu. Und diesmal kannst du deinen Verstand nicht verschließen. Du gierst viel zu verzweifelt nach Sinneseindrücken von außen, stimmt das nicht?«
Er konnte nur grunzen, als ihre Finger noch fester zupackten.
»Er hat dich zum Nachdenken gebracht, nicht wahr? Dieser Luca. Hat dich einhalten und einen Blick auf deine kostbare Welt werfen lassen. Nun, er hat recht mit seiner Frage. Warum habe ich mit dir herumgehurt? Der Grund ist ganz einfach, Grant. Du bewunderst meine Unabhängigkeit und meinen freien Geist. Diese Unabhängigkeit kostet viel. Ich müßte eine ganze Saison in den Obstgärten arbeiten, um auch
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