Armageddon 06 - Der nackte Gott
wieder einmal alles auseinander. Das ist der Grund, warum ich so früh wie möglich auf die Reise gehen wollte. Wenn es zu einer zweiten Welle der Anarchie kommt, finde ich vielleicht niemals heraus, was aus den Mädchen geworden ist.«
»Wir sollten auf jeden Fall ein paar richtige Ärzte herkommen lassen, die dich untersuchen. Vielleicht können wir dieses weiße Feuer benutzen, um die Tumoren auszubrennen. Wir haben alle so etwas wie einen Röntgenblick; es gibt keinen Grund, warum es nicht funktionieren sollte. Vielleicht müssen wir nicht einmal zu einer so drastischen Methode greifen. Vielleicht reicht es, wenn wir die befallenen Zellen tot wünschen.«
»Ich weiß es nicht.«
»Das klingt überhaupt nicht nach dir. Nach keinem von euch beiden. Sitz nicht einfach nur auf deinem Hintern herum, sondern finde es heraus! Schaff einen Arzt nach Cricklade. Massage und Tee helfen auf lange Sicht nicht viel weiter, und mehr kann ich euch nicht geben. Du kannst jetzt nicht von hier weggehen, Luca. Die Menschen haben dich als ihren Anführer akzeptiert. Benutz deinen Einfluß dazu, die Situation zu retten. Hilf ihnen, diese Krebsbedrohung zu überwinden.«
Er stieß einen langen zögernden Seufzer aus, dann neigte er den Kopf und blickte sie mit einem zugekniffenen Auge an. »Du glaubst wohl immer noch, daß die Konföderation kommt und dich rettet, wie?«
»Absolut.«
»Sie werden uns niemals finden. Sie müßten zwei Universen absuchen.«
»Glaub was du willst. Ich weiß, was geschehen wird.«
»Freundliche Feinde, wir beide, wie?«
»Manche Dinge ändern sich nie, ganz gleich, was sonst noch geschieht.«
Er wurde vom Zwang einer schneidenden Antwort befreit, als ein Stalljunge in den Hof gerannt kam und laut verkündete, daß ein Bote von der Stadt unterwegs sei. Zusammen mit Carmitha ging er durch die Küche und zum Haupteingang des Herrenhauses hinaus.
Eine Frau auf einem Schimmel kam die Auffahrt herauf. Die Gedankenmuster in ihrem Kopf waren beiden vertraut: Marcella Rye. Der Galopp des Reitpferdes spiegelte die Aufregung und Angst in ihrem Bewußtsein wider. Vor den breiten Steinstufen, die zu dem marmornen Säulenvorbau führten, zügelte sie das Tier und sprang ab. Luca nahm die Zügel und tat sein Bestes, um das aufgeregte Pferd zu beruhigen.
»Wir haben soeben Nachricht von den Dörfern entlang der Eisenbahn. Eine Bande von Plünderern ist hierher unterwegs. Der Rat von Colsterworth bittet respektvoll und all dieser Scheiß. Luca, wir brauchen eure Hilfe, um die Bastarde abzuwehren. Offensichtlich sind sie bewaffnet. Sie haben wohl ein altes Depot der Miliz in einem der Vororte von Boston überfallen und Gewehre sowie ein halbes Dutzend Maschinenpistolen erbeutet.«
»Das ist wieder einmal verdammt typisch!« schimpfte Luca. »Das Leben hier wird von Tag zu Tag besser.«
Luca studierte den Zug durch sein Fernglas (ein echtes, das Grant von seinem Vater geerbt hatte). Er war sicher, daß es der gleiche war wie schon einmal, auch wenn er sich verändert hatte. Vier zusätzliche Waggons waren angehängt worden – nicht, daß irgend jemand an Bord deswegen mehr Komfort gehabt hätte. Das dort war ein schwerer eisengepanzerter Kampfzug, dessen Plattenpanzer (echtes Eisen, dachte Luca) über die gesamte Länge der Waggons verlief und mit schweren Nieten und Bolzen befestigt war. Der Zug stampfte mit unverminderter Geschwindigkeit von dreißig Meilen pro Stunde auf Colsterworth zu. Bruce Spanton war es offensichtlich letzten Endes doch noch gelungen, sein Konzept von einer unwiderstehlichen Streitmacht in die Realität umzusetzen. Es war mitten in Norfolks malerischer Landschaft materialisiert, wo es nicht hingehörte.
»Diesmal sind es mehr«, stellte Luca fest. »Ich schätze, wir könnten die Schienen wieder aufrollen.«
»Dieses Monstrum ist nicht für Rückwärtsfahren gebaut«, sagte Marcella grimmig. »Man muß die Köpfe umdrehen, die Schwänze folgen von alleine.«
»Zwischen den Beinen.«
»Genau.«
»Noch zehn Minuten, bis sie hier sind. Wir schaffen besser unsere Leute in Position und denken uns eine Strategie aus.« Er hatte beinahe siebzig Landarbeiter von Cricklade mitgebracht, und der Aufruf des Gemeinderates von Colsterworth hatte in über fünfhundert Freiwilligen resultiert, die sich den Marodeuren entgegenstellen wollten. Vielleicht weitere dreißig hatten sich von den umliegenden Farmen eingefunden, entschlossen, die Nahrungsmittel zu schützen, für die sie so hart
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