Armageddon 06 - Der nackte Gott
gearbeitet hatten. Jeder einzelne war mit Jagdflinten oder Schrotgewehren aus seiner angenommenen Heimstadt ausgerüstet.
Luca und Marcella teilten sie in vier Gruppen auf. Die größte davon, dreihundert Köpfe stark, ging in einer Hufeisenformation rings um den Bahnhof von Colsterworth in Stellung. Zwei weitere Gruppen hielten sich abseits der Flanken, bereit, über die Schienen auszuschwärmen und die Angreifer zu umzingeln. Der Rest, drei Dutzend Männer auf Pferden (größtenteils aus Cricklade), bildete eine Kavalleriestreitmacht, die jeden jagen würde, der dem Hinterhalt entkam.
Luca und Marcella verbrachten die letzten paar Minuten damit, zwischen den Reihen hindurchzugehen, ihre Leute zu ordnen und sicherzustellen, daß jeder seine Kleidung in kugelsichere Panzer verwandelt hatte. Schüsse aus echten Gewehren waren in diesem Universum schwerer abzuwehren. Die offensichtlich beliebteste Lösung waren Flakjacken aus verstärktem Carbo-Silizium, was der vordersten Reihe das Aussehen einer Hundertschaft Bereitschaftspolizei aus dem frühen einundzwanzigsten Jahrhundert verlieh.
»Wir haben ein Recht, so zu leben, wie wir wollen, und dafür stehen wir hier«, sagte Luca wiederholt zu ihnen, während er seine Leute inspizierte. »Wir sind diejenigen, die etwas aus den Umständen gemacht und uns ein erträgliches Leben geschaffen haben. Ich will verdammt sein, wenn ich zulasse, daß dieser Pöbel es wieder zerstört. Wir dürfen nicht zulassen, daß sie von uns schmarotzen; wir wären nicht besser als Leibeigene.«
Wohin er auch kam, überall empfing er zustimmendes Gemurmel und Nicken. Die Entschlossenheit und das Selbstvertrauen der Verteidiger gewannen an Substanz und wuchsen zu einer physischen Aura heran, die die Luft mit einem kräftig roten Lichtschein erfüllte. Als er schließlich zusammen mit Marcella Position bezog, grinsten sie sich nur zu und freuten sich auf den Kampf. Der Zug war höchstens noch eine Meile von der Stadt entfernt und in der letzten weiten Kurve, bevor es auf die Gerade ging, die in den Bahnhof führte. Die Dampfpfeife stieß ein wütend herausforderndes Signal aus, und der rote Dunst über dem Bahnhof leuchtete heller. Fünf Yards von Lucas Füßen entfernt rissen die Holzschwellen bis weit hinter den Bahnsteig in der Mitte auf. Der Riß verharrte in zitternder Erwartung, als er knapp sechs Zoll breit geworden war. Granitschotter rollte über die Ränder und verschwand lautlos in der unergründlichen Dunkelheit darunter.
Luca starrte direkt auf die Stirnseite des Zuges und die unübersehbaren Läufe seiner Kanonen. »Komm nur, Arschloch«, sagte er leise.
Subtilität stand überhaupt nicht zur Diskussion. Jede Seite kannte ungefähr die Stärken und Schwächen sowie die Positionen der anderen. Es konnte gar nichts anderes geben als eine direkte Konfrontation. Ein Kampf zwischen energistischen Kräften und Vorstellungsvermögen, bei dem die echten Waffen nur eine unwillkommene Nebenrolle spielten.
Eine halbe Meile bis zum Bahnhof, und der Zug verringerte seine Geschwindigkeit ein wenig. Die beiden hinteren Waggons wurden ausgekuppelt und bremsten mit stehenden Rädern in einem orange und rot leuchtenden Funkenschauer, bis der Waggon zum Halten gekommen war. Dann klappten die Seiten zu Rampen herab, und Geländewagen rasten auf den festen Boden. Sie waren mit Panzerplatten und Überrollbügeln umgebaut; mächtige Geländereifen wurden von Vier-Liter-Benzinmotoren angetrieben, die unter metallischem Brüllen schmutzige Auspuffgase in die Luft spuckten. Jeder war mit einem über dem Fahrer montierten Maschinengewehr ausgerüstet, das von einem Schützen in schwarzer Lederjacke mit Fliegerbrille und Helm bedient wurde.
Sie jagten von den stehenden Waggons weg in dem Versuch, die Flanken der Verteidiger zu umgehen. Luca gab seiner eigenen Kavallerie das Zeichen. Sie galoppierten hinaus auf die Felder, um die Jeeps abzufangen. Der Zug donnerte weiter.
»Macht euch fertig!« rief Marcella.
Weiße Rauchwolken schossen aus den Kanonen am Bug des Zuges. Luca duckte sich reflexhaft und verhärtete schützend die Luft um sich herum. Am vorderen Ende des Bahnhofs schlugen Granaten ein und explodierten, und fettes Erdreich spritzte unter orangefarbenen Blitzen in die Höhe. Zwei der Granaten prallten auf die Ausläufer der roten Luft und detonierten harmlos gut zwanzig Yards über dem Boden. Ein Splitterregen jagte von der schützenden Grenze nach draußen. Die Verteidiger stimmten laute
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