Armageddon 06 - Der nackte Gott
nuklearen Winters, der dem Untergang der Ridbat folgte, wurden sie zu Nomaden, die zwischen den bewohnbaren Gebieten umherzogen. Erst als sich die Gletscher eine halbe Million Jahre später wieder zurückzogen, entwickelten sich die Mosdva weiter.
Sie erreichten ein mittleres Industriezeitalter. Weil keinerlei fossile Brennstoffe mehr übrig waren, weder Kohle noch Gas noch Öl, basierte ihre Technologie auf dem Konzept des Erhalts, zuträglich für die und in Harmonie mit der Natur. Obwohl sie Veränderungen nicht ablehnend gegenüberstanden, dauerte es extrem lange, bis eine Veränderung sich von innen heraus manifestiert hatte. Stetige Fortschritte in den theoretischen Feldern der Wissenschaft, wie Physik, Astronomie und Mathematik hießen noch lange nicht, daß daraus auch technologische Entwicklungen abgeleitet worden wären. Immerhin lebten die Mosdva bereits in ihrem goldenen Zeitalter. Nach dem entsetzlichen Erbe, das sie angetreten hatten, war Stabilität derjenige von allen Werten, den sie am höchsten schätzten. Und ihre Einstellung hätte durchaus zu einer Gesellschaft führen können, deren zeitliche Maßstäbe geologischen Epochen gleichkamen.
Das Schicksal versetzte dieser Aussicht zwei schwere Schläge. Als die Gletscher verschwanden, begannen die Tyrathca, bis dahin einfache rinderähnliche Herdentiere, an der evolutionären Renaissance ihrer Welt teilzuhaben. Es dauerte lange, bis sie ein Bewußtsein entwickelten, doch der Weg dorthin spiegelte ihre physische Kraft und Ausdauer wider: unbeirrbar und unaufhaltsam. Auf jeder anderen Welt wäre ihr völliger Mangel an Phantasie ein schwerer Hinderungsgrund gewesen, doch nicht hier. Die Tatsache, daß sie den Planeten mit einer Spezies teilten, die so wohlwollend und (damals) fortgeschritten war wie die Mosdva, bedeutete, daß sie Zugang erhielten zu Maschinen und Konzepten, die sie selbst niemals zu entwickeln imstande gewesen wären.
Unglücklicherweise waren die Tyrathca aggressiver als die Mosdva, eine Veranlagung, die auf ihre Vergangenheit als Herdentiere und die sich daraus ergebenden Streitereien um Territorien und Grenzen zurückzuführen war. Ihre Aggressivität wiederum führte zur Züchtung der Vasallenkasten, insbesondere der Soldaten.
Mit ihrer gestohlenen Technologie und ihrer körperlichen sowie zahlenmäßigen Überlegenheit wurden die Tyrathca bald die dominante der beiden Spezies.
Für die Mosdva hätte es durchaus das Ende bedeuten können. Ihre Siedlungen standen unter konstantem Druck durch die Expansion der Tyrathca. Doch dann entdeckten Astronomen der Mosdva, daß die Sonne im Begriff stand, sich in einen roten Riesen aufzublähen.
Für eine Spezies, deren Gedanken auf einer mehr abstrakten Ebene funktionierten, war die Erkenntnis des sicheren Endes in dreizehnhundert Jahren niederschmetternd genug; für die Tyrathca, die allein in Fakten dachten, war es intolerabel. Das Überleben der Spezies bildete einen einigenden Motivator, der sie in die Lage versetzte, blitzschnell ihre Herrschaft über den gesamten Planeten zu konsolidieren. Zum zweiten Mal im Verlauf ihrer Geschichte wurden die Mosdva buchstäblich versklavt. Zuerst wurden sie benutzt, um einen Plan zu entwickeln, der einigen, wenn nicht gar allen Tyrathca das Überleben der stellaren Expansion ermöglichen sollte. Ihre Lösung war das Konzept der Weltraumarchen, das letzten Endes das Überleben der Spezies garantieren würde, während bewohnbare Asteroiden den Rest der Bevölkerung aufnahmen, der nicht rechtzeitig evakuiert werden konnte. Und dann wurden sie benutzt, um diesen Plan in die Tat umzusetzen.
Mit ihren kleineren Körpern, ihrer größeren Geschicklichkeit und höheren Intelligenz gaben die Mosdva exzellente Astronauten ab – ganz im Gegensatz zu den Tyrathca.
Die technischen Fähigkeiten der Mosdva wurden eingesetzt, um Asteroiden einzufangen und sie in einen Orbit um Mastrit-PJ zu bringen, wo sie ausgehöhlt und zu Weltraumarchen ausgebaut wurden. Die Phase des Archenbaus dauerte sieben Jahrhunderte. Während dieser Zeit wurden eintausendsiebenunddreißig Archen fertiggestellt und auf die Reise geschickt.
Anschließend, als die wachsende Instabilität des Sterns die zerbrechliche Ökologie des Planeten zu schädigen begann, wurde Mastrit-PJs massive orbitale Produktionskapazität umgerüstet, um fortan Asteroiden in Habitate umzuwandeln. Die dazu bestimmten Asteroiden kreisten in mehr als zweihundertfünfzig Millionen Kilometern Entfernung um die
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