Armageddon 06 - Der nackte Gott
sicherzustellen, daß sie auch wirklich aßen, dann zerrte sie Jed hinter sich her in die Messe. »Rocio?«
Das transparente Gesicht des Possessors materialisierte auf einem Bullauge. »Was ist denn jetzt schon wieder?«
»Wir haben ein echtes Problem mit Gerald. Ich schätze, er ist richtig krank. Er sieht jedenfalls überhaupt nicht gut aus.«
»Er ist hier, weil ihr darauf bestanden habt. Was soll ich eurer Meinung nach tun?«
»Das wissen wir selbst nicht so genau, Rocio. Hast du vielleicht eine Null-Tau-Kapsel an Bord? Wir könnten ihn hineinlegen, bis wir von Bord gehen. Die edenitischen Ärzte können sich richtig um ihn kümmern.«
»Nein. Es gibt keine funktionierende Null-Tau-Kapsel an Bord. Die Besessenen sind verständlicherweise nervös in Gegenwart dieser Apparate; die ersten, die an Bord gekommen sind, haben alle zerstört.«
»Scheiße. Was sollen wir nur tun?«
»Ihr müßt ihn pflegen, so gut es geht.«
»Entsetzlich«, murmelte Jed.
Der Almaden geriet hinter dem Bullauge in Bewegung.
»Hey, wohin fliegen wir jetzt?« fragte Jed. Der Asteroid verschwand hinter dem Rand, und der Sternenhimmel beschrieb einen schwachen Bogen, als der Hellhawk in einer engen Kurve beschleunigte.
»Zurück auf meinen Patrouillenvektor«, antwortete Rocio. »Und ich hoffe, daß niemand meine Abwesenheit bemerkt hat. Deebank hat mir eine Liste elektronischer Komponenten geschickt, die sie brauchen, um die Nahrungssynthesemaschinen zu reparieren. Alles ist auf dem Monterey zu haben.«
»Schön, da bin ich aber froh, das zu hören«, sagte Jed automatisch. Plötzlich stieg ein eisig kalter Gedanke in ihm auf. »Halt, warte mal, einen Augenblick, Rocio! Wie willst du die Organisation dazu bringen, dir das Zeug zu übergeben?«
Rocios transparentes Abbild zwinkerte ihm zu, dann verschwand es.
»O Scheiße! Nicht schon wieder!«
In Friedenszeiten waren die designierten Austrittszonen Avons rings um den Planeten und sein umgebendes Band aus Asteroidensiedlungen im hohen Orbit in bequemer Entfernung zu den jeweiligen Raumhäfen positioniert, mit der Ausnahme von Trafalgar, das aus reiner Notwendigkeit heraus stets mit verdächtigen Neuankömmlingen rechnete. Nach dem offiziellen Ausbruch des Krieges mit der Organisation – oder, wie es die Diplomaten in Regina lieber nannten, der aktuellen Krisensituation – waren sämtliche Austrittszonen automatisch weiter nach draußen und von ihren zugeordneten Häfen weggelegt worden. Jeder Almanach der Konföderation beinhaltete die alternativen Koordinaten, und es lag in der Verantwortung der Schiffskommandanten sicherzustellen, daß sie über jegliche offizielle Deklaration Bescheid wußten.
Die Austrittszone DR45Y befand sich in einer Entfernung von dreihunderttausend Kilometern über Trafalgar und war zivilen Schiffen zugewiesen, die im Regierungsauftrag unterwegs waren. Die Sensorsatelliten, die DR45Y überwachten, waren von der gleichen militärischen Spezifikation wie jene, die für die Überwachung der zahlreichen Austrittszonen vorgesehen waren, in denen Kriegsschiffe materialisierten. Schließlich konnte niemand im voraus wissen, welche Art von Schiff ein möglicher Gegner schicken würde. Folglich wurden, nachdem die Scanner die vertraute gravitonische Verzerrung einer unmittelbar bevorstehenden Materialisierung entdeckten, innerhalb Millisekunden zusätzliche Sensorbatterien aktiviert. Der sich rasch ausdehnende Riß im Raum-Zeit-Gefüge wurde von nicht weniger als fünf strategischen Verteidigungsplattformen anvisiert. Das Verteidigungskommando Trafalgars dirigierte darüber hinaus fünf Voidhawks zu den entsprechenden Koordinaten um und versetzte weitere zehn in äußerste Alarmbereitschaft.
Der Ereignishorizont expandierte bis auf einen Durchmesser von achtunddreißig Metern und verschwand dann schlagartig. Zurück blieb der Rumpf eines fremden Schiffes. Die visuellen Sensoren zeigten eine Standardkonstruktion, kugelförmig, eingehüllt in Nullthermschaum. Alles völlig normal, mit Ausnahme einer fehlenden hexagonalen Rumpfplatte. Das Schiff befand sich beeindruckend dicht am Zentrum der Austrittszone; der Kommandant mußte beachtliche Anstrengungen unternommen haben, um sein Schiff so exakt auf die letzten Sprungkoordinaten auszurichten. Ein derartiges Manöver deutete auf jemanden hin, der unter allen Umständen gefallen wollte.
Radarpulse lösten den Transponder des fremden Schiffes aus. Die KI Trafalgars benötigte weniger als eine Millisekunde,
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