Armageddon 1 - Das Musical
Heute war sein allererster Arbeitstag auf seiner allerersten
Arbeitsstelle, und er wollte auf gar keinen Fall zu spät kommen.
»Morgen, Rex. Puh, was für eine Affenhitze, wie?« Die Stimme auf dem
offenen Kanal gehörte Thaddeus Decor, der in der Coca-Cola-Maschine
an der Straßenecke lebte.
Rex winkte ihm fröhlich zu. »Morgen, Thaddeus. Wie geht’s deiner
Frau?«
»Ihr Knie ist schon viel besser, dank dem Gangrän-Gel, das du mir ge-
geben hast.«
»Das freut mich zu hören.«
»Der junge Kevin hat schon wieder die Räude.«
»Ich bring’ dir später was vorbei.« Rex setzte seinen Weg fort.
Thaddeus grinste ihm zahnlos durch seine transparente Helmkugel hin-
terher. »Danke, Kumpel«, sagte er. »Du bist ein echter Fatzke.«
Die Passage zur U-Bahn war hel erleuchtet vom Techniglow™ hun-
derter holographischer Werbeplakate. Rex stapfte durch die lächelnden
Geister und ignorierte ihr fröhliches Geplapper. Nachdem er die Dekon-
tamination hinter sich gebracht hatte, schraubte er seinen Helm ab und
stellte sich in der Schlange an, die auf ihre Fahrtgenehmigung wartete.
Als er an der Reihe war, preßte er das Gesicht gegen den EYESPY.
»Zielort?« erkundigte sich der Automat.
»Der Nemesis-Bunker«, antwortete Rex voller Stolz.
Relais ratterten und klickten, Informationen flossen hin und her, und
die elektronische Stimme sagte: »Danke sehr, Mister Mundi. Sie dürfen
fahren. Einen schönen weiteren Tag noch.«
Der Morgenzug schlich quälend langsam in die Station und kam zit-
ternd zum Stehen. Er war nicht übermäßig vol , und Rex suchte sich eine
freie Ecke in dem sitzlosen Waggon, um sich hinzukauern. Die Fahrt
dauerte etwas länger als eine Stunde, doch wenn schon nichts anderes, so
bot sie Rex Gelegenheit, die morgendliche Nachrichtensendung im TV
des Waggons zu verfolgen, zu erfahren, was für die Welt als gut und
richtig erachtet wurde und ein paar zusätzliche Nahrungs- und Medico-
Rationen zu verdienen.
Die Nachrichten waren so ziemlich die gleichen wie immer. Die Dinge
wurden besser. Der Wirtschaft war es niemals besser gegangen. Die Pro-
duktion war auf eine neue Rekordhöhe gestiegen. Es hatte mehrere neue
authentische Sichtungen von Blauem Himmel™ gegeben. Man rechnete
jederzeit damit, daß die Sperrung der Straße M25 aufgehoben wurde.
Rex runzelte bei der letzten Meldung die Stirn… doch alles war mög-
lich.
Die Nachrichtensendung endete mit der üblichen Eigenwerbung, ver-
kleidet in eine menschlich rührende Geschichte und mit einer komischen
Pointe. Heute ging es um eine alte Lady, die eine bisher nie dagewesene
Anzahl von Umquartierungs-Kredits aufgehäuft hatte, al esamt bei einem
Sender der Konkurrenz. So viele Kredits, daß sich der Intendant des
Senders veranlaßt gesehen hatte, die Lady persönlich zu besuchen und
ihr seine Glückwünsche auszusprechen. Nachdem er vergeblich an ihre
Bunkertür gehämmert hatte, waren seine Gehilfen gekommen und hat-
ten sich einen Weg ins Innere gebahnt. Und dort hatte sie gesessen, die
gute, und blind auf den Bildschirm gestarrt. Sie war seit drei Wochen tot.
»Das war abzusehen«, murmelte Rex, der sicher war, daß er die Ge-
schichte schon einmal gehört hatte. Zum Glück fuhr der Zug gerade in
dem Augenblick in die Station ein, als die Sänger des Senders zu einer
unerträglichen neuen Cover-Version von ›Jeder Atompilz hat einen Sil-
berstreif am Horizont‹ ansetzten. Der Zug ratterte in die Nemesis-
Station und überrol te al es in seinem Weg. An diesem Morgen hatten
sich lediglich zwei asoziale Elemente entschlossen, in das Nichts zu
springen. Der Fahrer entschied, daß diese Anzahl durchaus im Rahmen
des für die Jahreszeit Üblichen lag und schaltete den Fernseher auf seine
Lieblings-Feinschmeckersendung um.
Nachdem der Abspann ihrer Lieblings-Show endlich über den Schirm
ins Nichts geglitten war, senkte die vornehme Dame hinter dem Emp-
fangsschalter die Lautstärke ihres Fernseh-Terminals. Dann starrte sie
mit gespielter Überraschung auf den jungen Mann, der die letzten zwan-
zig Minuten vor ihr gestanden und geduldig Schuppen und Hautfetzen
aus dem Innern seines Kugelhelms geschnippt hatte.
»Was wollen Sie?« erkundigte sie sich ohne die geringste Spur von
Freundlichkeit.
»Mein Name ist Rex Mundi.« Der Bursche brachte doch tatsächlich die
Frechheit auf, die steingesichtige Harpyie hoffnungsvol anzulächeln!
»Na und?« Irgend etwas im Tonfal der Frau ließ
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