Armageddon 2 - Das Menü
Augenblick herrschte Schweigen hinter dem Schreib-
tisch, dann sagte die Stimme des Mannes kleinlaut: »Jawohl,
Sir.«
»Nehmen Sie mir diese Handschellen ab.« Der große schwit-
zende Gefängniswärter schwankte.
»Machen Sie schon!«, sagte der Unsichtbare.
Der Wärter fummelte mit den Schlüsseln, es machte Klick,
und Rex war frei.
Rex rieb sich die Handgelenke. Sie waren wund und rot. Er
sprang vor, packte die Lampe und drehte sie zu seinem frühe-
ren Vernehmer herum. »Wo ist hier das nächste Klo?«, fragte
er.
Die Sonne ging über Brooklyn auf. Manch einer mag nun
glauben, die Dächer leuchteten romantisch golden. Soll er
doch. Ein junger Mann auf einem Balkon hoch über den Stra-
ßen glaubte es jedenfalls ganz bestimmt nicht. Elvis Aaron
Presley trank Bourbon und starrte den neuen Tag geistesab-
wesend an. Der Balkon erstreckte sich vor einem fantastischen
Penthouse über einem Appartementblock aus schwarzem Glas
und Stahl, der verblüffend einer gigantischen, aufrecht ste-
henden Gitarre ähnelte. Elvis hatte das Gebäude selbst entwor-
fen und war der einzige Bewohner. In der Tiefgarage standen
zahlreiche Wagen, Vans und Motorräder. Die Stockwerke zwi-
schen Tiefgarage und Penthouse wurden von einer außerge-
wöhnlichen Vielfalt von Paraphernalien eingenommen. Es gab
genügend Waffen, um ein ganzes Regiment auszurüsten und
einen ansehnlichen militärischen Coup zu beginnen. Unifor-
men, Kostüme, Anzüge und Verkleidungen. Verpflegung, Or-
tungsapparate, Computer. Eine Turnhalle, ein Solarium, einen
Indoor-Pool von olympischen Dimensionen. Alles unter
strengster Überwachung. Es gab Videokameras, Laserfallen,
druckempfindliche Bodenplatten und Schallsensoren. Alle
möglichen Arten von verrücktem Zeugs. Die Arbeit der ver-
gangenen fünfzehn Jahre und noch ein paar mehr. Und was
nutzte das alles jetzt?
Elvis seufzte und nahm einen weiteren Schluck. Eine Stimme
in seinem Kopf, die alles andere als sein Gewissen war, sagte:
»Also hattest du einfach nicht den Mumm dazu, Chef, wie?«
Elvis nahm einen letzten Schluck, erhob sich von seinem
weißen Liegestuhl, und füllte sein Glas nach. »Einen Men-
schen kaltblütig über den Haufen fahren?«
»Keinen Menschen, Chef, ganz gewiss keinen Menschen.«
»Ich schätze, ich habe gekniffen, wie?«
»Das ist das Lampenfieber, Chef, sonst nichts. Beim nächsten
Mal erwischst du ihn.«
»Wir suchen seit 1958 nach ihm, und jetzt, wo wir ihn haben,
da bringe ich es nicht…«
»Du wirst ihn schon noch erwischen, Chef. Es ist deine gött-
liche Mission, oder nicht?«
»Sicher. Aber vielleicht soll es einfach nicht sein?«
»Selbstverständlich soll es sein! Du hast die Zukunft gese-
hen. Du weißt, dass Wayne L. Wormwood der leibhaftige Teu-
fel ist. Er wird die Welt 1999 in die Luft jagen. Jedenfalls dann,
wenn du ihn nicht aufhältst.«
»Aber kann ich ihn aufhalten? Kann ich einen Menschen tö-
ten? Ich kann es nicht!«
»Der Bursche an der Grand Central Station ist bestimmt an-
derer Meinung.«
»Das war nicht meine Schuld.«
»Er ist trotzdem tot.«
»Vielleicht, wenn ich vorher mit Wormwood reden würde.«
»Meine Güte, Chef! Jetzt mach aber halblang!«
»Nein, wirklich! Ich habe eine neue Chance bekommen. Ich
habe mich geändert!«
»Er will sich aber nicht ändern! Er ist der Antichrist! Der
durch und durch böse Bube. Der terminale Stinker. Er will
Präsident werden. Er will aufrüsten. Er wird den roten Knopf
drücken. Du weißt das.«
Elvis ließ den Kopf hängen. Er wusste es tatsächlich. »Wie
kommt es eigentlich, dass ich nicht vom Drehbuch abgewichen
bin, wie die Phnaargs das wollten? Ich wäre inzwischen längst
selbst Präsident.«
Zum ersten Mal schien der Zeitkohl keine Antwort zu wis-
sen.
»Nun, wie kommt’s?«
»Du hattest diese Offenbarung, wenn ich mich recht entsin-
ne.«
»War wie eine Stimme in meinem Kopf. Wenn ich mich recht
entsinne.«
»Nun, ich weiß jedenfalls nichts davon, Chef. Falls du das
meinst.«
»Bestimmt nicht, wie?«
»Kopf hoch, Chef.« Plötzlich klang der Zeitkohl ganz ver-
gnügt. »Du wirst es schon richten, Chef. Habe ich dich nicht all
die Jahre jung und hübsch gehalten? Vertrau mir. Was hältst
du davon, wenn ich deine erogenen Zonen ein wenig aufmun-
tere?«
»Du wirst dich von meinen erogenen Zonen fern halten. Ich
muss nachdenken, und das verdammt ernsthaft. Und damit
meine ich: ich. Leg dich ein wenig schlafen,
Weitere Kostenlose Bücher