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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Frank
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linken Akademikern über die Gewerkschaften bis zur demokratischen Gutmenschen-Regierung schlicht alle gemeint sind – ist eine altbewährte Taktik der Rechten. Man verknüpft einfach den Crash, die Rezession oder welche Katastrophe sich sonst gerade anbietet mit der aktuellen Äußerung eines liberalen Politikers, der irgendeinen Zweifel an der freien Marktwirtschaft äußert, gerne auch mit Plänen zur Erhöhung irgendwelcher Steuern oder Gebühren. Beides fällt zeitlich zusammen, also muss doch das eine Ursache des anderen sein. Bei allgemeinen, das ganze System erfassenden Krisen gibt man die Schuld einfach größeren Projekten der Liberalen wie dem Community Reinvestment Act (ein Gesetz, das die Kreditvergabe auch in einkommensschwachen Vierteln fördert), der staatlich geförderten Hypothekenbank Fannie Mae oder der Zentralbank, der Federal Reserve.
    Aber Beck hob diese Sündenbock-Strategie noch in eine ganz andere Dimension. Die Liberalen sollten uns nun mit ihren gut gemeinten Regulierungen nicht nur den Abschwung beschert haben, sie hatten dies auch ganz absichtlich getan, um das Szenario der schlechten Zeiten auszulösen. Sie sind also in Becks Vorstellung genau das, was er selbst in Wirklichkeit ist: Unternehmer, die mit der Angst Geschäfte machen.
    Verschwörungstheoretiker gab es schon immer. Aber Glenn Beck war einer, der das breite Publikum erreichte. Und so bildete sich eines der Charakteristika der rechten Renaissance heraus: eine rhetorische Schlacht, in der sich Experten, Blogger und Wahlkandidaten gegenseitig darin überboten, das düsterste Endzeitbild an die Wand zu malen. Auf einmal war die Invasion vom Mars in aller Munde. Die Nation wurde von innen zerstört, die Verfassung pervertiert, die Freiheit war in höchster Gefahr. Wir waren auf dem Marsch in den Sozialismus, der Sozialismus fuhr mit uns Schlitten, wir saßen im Schnellzug zum Sozialismus – nein, halt: Der Sozialismus war schon da, der Sozialist Barack Obama stopfte ihn uns bereits mit Gewalt in den Hals.
    Ein unvergesslicher Eindruck dieser Endzeit-Hysterie war es für mich, als ich im März 2010 mit Tea-Party-Aktivisten auf dem Rasen vor dem Kapitol stand und den zornigen Reden zuhörte, die dort unter freiem Himmel gehalten wurden, während drinnen die Mitglieder des Kongresses über das Gesetz zur Gesundheitsreform berieten, das die Demokraten eingebracht hatten. Einige Redner kritisierten bestimmte Punkte des Gesetzespakets, aber den meisten Applaus spendete die Menge jenen, die es einfach als einen gewaltigen Kampf zwischen Gut und Böse darstellten – wie der Schauspieler Jon Voight, der uns erzählte, er bete zu Gott, dass die Abgeordneten »den Willen, die Kraft und den Mut finden werden, von dieser Vernichtung Amerikas abzulassen«.
    »Vernichtung Amerikas«: Solche Worte hörte man gern, sie erhielten frenetischen Beifall in dieser neuen Ära der Panik. Während der Gesundheitsdebatte der Jahre 2009 und 2010, als die Regierung die Krankenversicherung für alle Bürger einzuführen versuchte – auch so ein gravierender Eingriff in den Markt –, gerieten die Endzeitpropheten außer Rand und Band. »Das Ende von Amerika, wie wir es kennen«, nannte Glenn Beck in aller Bescheidenheit die Gesundheitsreform. Ihr Ziel sei es, »uns die Menschlichkeit zu rauben«, protestierte Rush Limbaugh. Ein anderer Radiomoderator sah »das Ende der Republik« gekommen. [4]
    Newt Gingrich hatte vielleicht nicht die knackigsten Beiträge zu diesem neuen Genre zu liefern, sie waren aber insofern bemerkenswert, als er einst selbst hohe Staatsämter bekleidet hatte. Das hinderte Gingrich nicht daran, im Jahr 2010 mit der Behauptung aufzutrumpfen, die Regierung Obama sei »für Amerika eine ebenso große Bedrohung wie einst Nazi-Deutschland oder die Sowjetunion«. Es gehe um nicht weniger als die Frage, »ob die Vereinigten Staaten, wie wir sie bisher kennen, untergehen«. [5]
    Gingrich äußerte das keineswegs beiläufig in einem Fernsehinterview, er schrieb es wohlüberlegt nieder und präsentierte es an prominenter Stelle in der Einleitungspassage seines Buchs
To Save America
. Um die Rettung Amerikas sorgte er sich nun also, nicht mehr bloß um die Erneuerung, wie in seinem Buch
To Renew America
aus dem Jahr 1995, das seine großspurigen Ideen für das Informationszeitalter präsentiert hatte. Wir saßen so tief in der Tinte, es ging schon längst um Sein oder Nichtsein. Was wir brauchten, war die Erlösung.
    Man hätte meinen sollen,

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