Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
sind. In diesem Zusammenhang waren die Fernsehspots aufschlussreich, die 2012 zur Unterstützung von Newt Gingrichs Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner ausgestrahlt wurden. Sie attackierten seinen Rivalen, den ehemaligen Finanzinvestor Mitt Romney, wegen seiner Rolle bei verschiedenen Firmenübernahmen. Ein anderes Beispiel ist der heftige konzernfeindliche Ausfall, den sich ein ungenannt gebliebener Washingtoner Politikberater leistete, der 2010 für die Tea Party gearbeitet hatte. In einem Artikel im
Playboy
beschrieb er eine Postkartenkampagne, die er für den Herbst plante und die sich unter Verzicht auf die Kulturkampfthemen ganz auf den Unmut der Öffentlichkeit über die Bailouts konzentrieren sollte:
Ein Dankesschreiben von einem imaginären Wall-Street-Manager an die hart arbeitenden Steuerzahler zu schreiben macht mehr Spaß als die üblichen Kampagnen. Mit den neuen Drucktechniken lassen sich die Postkarten individualisieren und sehen nicht aus, als wären sie über Nacht im Copyshop fabriziert worden.«
Sehr geehrter [Name einfügen]
,
ich habe gerade von Ihnen und anderen Steuerzahlern meinenScheck vom Troubled Asset Relief Program erhalten und möchte mich persönlich bei Ihnen für den Erhalt des Geldes bedanken. Nun kann ich meinen Drittwagen und mein Ferienhaus in [Name eines nahe gelegenen Urlaubsgebiets] behalten. [33]
KAPITEL 7
MIMESIS
Mimikry ist ein weitverbreitetes Phänomen im Tierreich: Motten tragen Flecken auf ihren Flügeln, die den Augen von Eulen gleichen, harmlose Insekten fliegen mit schwarz-gelben Streifen herum, und ungiftige Schlangen haben im Verlauf der Jahrtausende gelernt, mit ihrem Schwanz im trockenen Laub zu rascheln, um Fressfeinde abzuschrecken. Sie geben vor, Klapperschlangen zu sein, sind aber völlig ungefährlich. Keine Angst. Na los, die kannst du einfach zertreten.
Im Menschenreich haben wir eine konservative Bewegung, die im Verlauf der Jahrzehnte gelernt hat, viele charakteristische Eigenschaften ihrer Gegner zu imitieren. In den Dreißigerjahren hatten die Führer der Konservativen schmerzlich erfahren, dass es nicht klug war, die Armen überheblich auf ihren Platz zu verweisen. In Zeiten des wirtschaftlichen Zusammenbruchs schlägt den Verteidigern der herrschenden Ordnung und den Fürsprechern der Regierenden eben wenig Liebe entgegen.
Und so legte sich die Bewegung mit den Jahren eine staatskritische, revolutionäre Attitüde zu, die sie direkt von Karl Marx oder Jean-Paul Sartre entliehen haben könnte. Sie imitierte die Protestkultur der Sechzigerjahre bis hin zu einer Art von Verehrung antikommunistischer Guerillakämpfer, ihre Version von Ho und Che. Konservative Führer analysierten die Taktiken der Kommunisten und übertrugen sie auf ihre Kämpfe. Die Bewegung folgte der Maxime des konservativen Aktivisten Paul Weyrich: »Uns geht es nicht um die Erhaltung des Status quo. Wir sind Radikale, wir wollen die Machtstrukturen des Landes umstürzen.« [1]
Als 2008 und 2009 die Wirtschaft kollabierte, positionierten sichdie Konservativen sofort als die Protestbewegung für schlechte Zeiten. Die eher arroganten Züge der konservativen Tradition hängte man den Liberalen an. Alles, was als großmütig, demokratisch oder volkstümlich gelten konnte, reklamierte die Rechte nun für sich selbst, auch wenn es traditionell eher der anderen Seite zugerechnet wurde.
Vom Gegner lernen
In der Anfangszeit des Wirtschaftsdebakels herrschte segensreiche Verwirrung. War die Tea Party ein Phänomen der Linken oder der Rechten? Ihre Anhänger jedenfalls wollten zunächst nicht mit der Grand Old Party in einen Topf geworfen werden, die man nach George W. Bush und infolge der Skandale um Tom DeLay im Jahr 2009 nur mit der Kneifzange anfasste. Einige Kommentatoren glaubten in dieser bis dahin unbekannten Protestform sogar etwas gänzlich Neues auszumachen.
Glenn Beck, eine Leitfigur in diesem Durcheinander, behauptet gern von sich, über den Parteien zu stehen. Er veranstaltete eine Neuauflage von Martin Luther Kings Marsch auf Washington im Jahr 1963, und einmal gestand er, bei der Präsidentschaftswahl 2008 vielleicht sogar für Hillary Clinton gestimmt zu haben, wäre sie die Kandidatin der Demokraten geworden. Wenn er Material für seine rechten Verschwörungstheorien sucht, wildert Beck stets ungehemmt im Terrain linker Gedanken und Argumente. Seine Kritik an der Manipulation der öffentlichen Meinung durch Organisationen könnte auch von
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