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Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt

Titel: Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Frank
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empörend finden, dass große Banken von der US-Notenbank Kapitalspritzen zu Bedingungen erhielten, von denen er selbst nur träumen konnte. Manche waren drei Jahre danach noch sauer. Als im August 2011 herauskam, dass die Bailouts einen weit größeren Umfang gehabt hatten als ursprünglich berichtet, packte den Konservativen Richard Viguerie noch nachträglich der Zorn. Unter Bezug auf die optimistischen Verlautbarungen, die Morgan Stanley herausgegeben hatte, als sich die Bank gerade beinahe 100 Milliarden Dollar von der Zentralbank lieh, schrieb Viguerie: »Versuchen Sie so was mal bei Ihrem Bankberater oder, wenn Sie selbst von einer kleinen Bank sind, bei der Finanzaufsicht.« Unter Bezug auf die unerhört günstigen Konditionen dieser Abmachungen schäumte er: »Versuchen Sie doch mal, als kleiner Unternehmer in Amerika an so etwas ranzukommen.« [29]
    Für Viguerie und viele Tausend andere bestätigten die Bailouts eine der Grundüberzeugungen des Kleinunternehmers: Dass die Großunternehmen mit der Regierung unter einer Decke steckten. Diese Vorstellung ist deshalb so mächtig, weil sie im Grunde wahr ist. Sie ist auch nicht neu. Schon 1962 zitierte der Politikwissenschaftler John Bunzel den Vertreter einer Vereinigung von Kleinunternehmern mit einer verbitterten Äußerung, wie man sie heute in einem Blog der Tea Party lesen könnte. Großkonzerne, so der Vorwurf
    gehen stets einher mit Großgewerkschaften, staatlicher Einmischung mit faschistischen [!] und ständischen Tendenzen in der Regierung – zuerst kommt immer die NRA, dann OPA und OPM und WPB –, alles, damit
den Managern
ihre Ruhe und Bequemlichkeitund vor allem
ihre Jobs
erhalten bleiben, ganz gleich, was mit dem Land und ihren Mitbürgern geschieht. [30]
    Das waren so die Vorstellungen, die in den Köpfen der Rechten herumspukten. Deshalb reagierten sie auch so heftig: Die Bailouts ließen für sie Albträume Realität werden.
    Die Großkonzerne werden natürlich nicht einfach verschwinden, und solange es sie gibt, braucht man auch einen Staat, der bereit und in der Lage ist, sie in Schranken zu halten. Wenn das System nicht funktioniert, wie es offensichtlich bei den Bailouts, aber auch bei der Hypothekenorgie, dem Bergwerksunglück in West Virginia und der von BP verursachten Ölpest der Fall war, dann liegt es eigentlich nahe, dafür zu sorgen, dass der Staat seiner Aufsichtsfunktion besser nachkommt.
    Die neue Rechte sieht das freilich ganz anders. Sie verdammt das moderne Wirtschaftssystem einfach pauschal als »kapitalistische Vetternwirtschaft« oder »Sozialismus« und setzt als Allheilmittel darauf, die staatliche Seite dieses Gefüges, also alles, was Regulierung, Steuern und Renten betrifft, über Bord zu werfen.
    Und so stehen wir vor der Wahl zwischen der Utopie des Kleinunternehmertums und dem »Sozialismus«. Auf der einen Seite der »Kapitalismus«, der »American Way of Life« in harmonischer Übereinstimmung mit der Natur, auf der anderen Seite etwas Fremdes, Unsauberes, Unehrliches. [31]
    Dieser Ansatz ermöglichte es der neuen Rechten, sich als Gegner der Großkonzerne darzustellen. Nicht etwa wegen ihres Fehlverhaltens als Marktteilnehmer, sondern weil Großkonzerne einfach keine wirklich reinen Marktteilnehmer sind. Darin steckt ein Körnchen Wahrheit, betreiben Großunternehmen doch stets auch Lobbyarbeit, um Subventionen, Bailouts und Staatsaufträge zu ergattern, und manchmal sind sie sogar für Regulierungen, sofern sie darauf zugeschnitten sind, sie vor Konkurrenten zu schützen. Aber der wahre Grund ist sicherlich, dass die Rechte die Stimmung im Land ausnutzen wollte. Die Argumentation dürfte im einzelnen diewenigsten überzeugt haben, ihre Rhetorik hatte hingegen durchschlagenden Erfolg. Ihr verdanken wir beispielsweise den erstaunlichen Artikel, den der aufstrebende Kongressabgeordnete Paul Ryan 2009 in der Zeitschrift
Forbes
unter der Überschrift »Nieder mit den Großunternehmen« veröffentlichte. Der Kapitalismus könne in der Stunde seiner Not nicht auf die riesigen Konzerne vertrauen, so Ryan: »Auf das amerikanische Volk kommt es an – Investoren, Geschäftsleute, Kleinunternehmer … sie sind nun gefragt.« [32]
    Ryans Artikel war nur der Anfang. Konzernkritische Aussagen sind bei Konservativen heutzutage derart verbreitet, dass die verdrehte Argumentation, auf die sie sich stützen, manchmal völlig außer Acht gelassen wird. Man nimmt es einfach als gegeben, dass Konzerngegner weit rechts angesiedelt

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