Arme Milliardäre!: Der große Bluff oder Wie die amerikanische Rechte aus der Krise Kapital schlägt
demokratisch. Tatsächlich stellt die Demokratie für Rand einen Teil des Problems dar, da sie »politischen Lakaien« rechtliche Befugnisse über Industriekapitäne verleiht. Und so führt
Atlas wirft die Welt ab
dieses politische Dilemma seinem logischen Ende zu – die Forderungen der Politiker werden so erdrückend, dass sich die Wirtschaftselite einfach irgendwann dagegen auflehnen muss. Es ist eine Art Marxismus für die herrschende Klasse, ein Schlechte-Zeiten-Szenario, in dem die Wirtschaft eine blütenweiße Weste hat [∗] und die staatlichen »Plünderer« für jedes noch so kleine Unheil verantwortlich sind.
Warum
Atlas wirft die Welt ab
erfolgreiche Geschäftsleute anspricht, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Aber wie wird ein Buch, dessen Botschaft an den Rest der Welt »Ihr seid minderwertig!« lautet, zum Manifest eines Volksaufstands?
Wie bereits angeführt, wird die plötzliche Popularität von
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meist damit erklärt, dass das Buch eine hellsichtige Beschreibung der Zukunft darstellt: Es scheint die Notmaßnahmen zur Bankenrettung 2008 und 2009 ebenso vorausgesagt zu haben wie die darauf angeblich folgende Hatz auf Wirtschaftsführer durch Bundesbeamte. Während des AIG-Debakels versuchte ein Börsenmakler sogar, die Handlung des Buchs auf die nächste Ebene zu heben, indem er in einem Artikel der
New York Times
verdrossen seine Kündigung erklärte. Er werfe alles hin, schrieb er, weil er es satthabe, »von der gewählten Staatsmacht ungerechtfertigt verfolgt zu werden«. Und im September 2011 verkündete der Sprecher des Repräsentantenhauses, John Boehner, es gäbe keinen Wirtschaftsaufschwung, weil die »Schöpfer der Arbeitsplätze in Amerika sich mehr oder weniger im Streik befinden«. Wir müssten diese wichtigen Menschen von Steuern und den aberwitzigen Einmischungen des Staates »befreien« – sonst würden wir bald sehen, wo wir bleiben. Wenn man Talente nicht ihrem Wert entsprechend behandle, wanderten sie eben ab. Und dann solle man mal versuchen, die Wirtschaft wieder auf Trab zu bringen.
Im Grunde reicht
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viel tiefer. Das Buch hat alle Antworten – und ich meine wirklich alle – für eine Welt parat, die vor einer zweiten Weltwirtschaftskrise steht. Die staatlichen Institutionen sind korrupt und fehlgeleitet, erklärt uns Rand, sie sind zu Instrumenten geworden, die uns nicht schützen, sondern berauben. Wenn die Wirtschaft zusammenbricht, so Rands These, liegt es immer daran, dass der Staat sich ruinös und eigennützig eingemischt hat. Und Rettung gibt es nur, wenn die Produzenten von den Staatsfesseln befreit werden.
Für seine Leser ist
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eine Art Enthüllungsgeschichte. Der Roman blickt hinter die Kulissen und zeigt uns, vonwelchen Mächten die Welt gesteuert wird. Angelo Codevillas Landklasse erkennt, dass die »herrschende Klasse« von Grund auf niederträchtig ist, und dieser große Roman der Ära Obama hilft ihr, die Wahrheit aufzudecken. Die erstarkende Rechte sieht in ihm einen machtvollen Ruf nach Gerechtigkeit.
Aber was als Ruf nach Gerechtigkeit beginnt, wird rasch zu einem Abklatsch jener Kundgebung, bei der der Vorstandsvorsitzende des Kohlebergwerks behauptete, im Namen der Arbeiter von West Virginia zu sprechen. Rands Fangemeinde ist das Pendant zu jenen Arbeitern, die die Bühne stürmten, um die weisen Worte ihres Vorstandsvorsitzenden zu preisen, um dem Tycoon, der den Staat verdammt, zuzujubeln.
Und so verkünden die Durchschnittsamerikaner, dass sie sich dem großen Streik der Produzenten anschließen, sie schreien in die Welt hinaus, dass es ihnen reicht, dass sie ab sofort ihre Restaurants schließen, keine Karieslöcher mehr füllen und keine Häuser mehr streichen. Sie solidarisieren sich mit John Galt und verbreiten auf ihren Websites, dass auch sie dem Staat den Krieg erklären, weil er ihren Ehrgeiz in jeder nur erdenklichen Weise erstickt, die Früchte ihrer harten Arbeit eingesteckt und die Faulen verhätschelt habe. Sie werden zu »Galtisten«, verkünden sie.
Wir haben gesehen, wie ein stolzes, starkes Land in die Knie gegangen ist. Sein Volk ist nachlässig, unfähig und verantwortungslos geworden. Wir halten es nicht für moralisch, für diejenigen zu schuften, die auf der faulen Haut liegen. Wir sehen keinen moralischen Wert darin, einen Beitrag für eine Gesellschaft zu leisten, die herrschen, aber nicht regieren will, und die Produzenten bestiehlt, um alles den
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