Armeen Der Nacht
ihrer Leute waren in der vergangenen Nacht getötet worden, richtiger gesagt, ermordet, doch Freistätter benutzten dieses Wort nicht, wenn es um den Tod von Günstlingen der Beysa ging.
Sie behielt Wintsenay bei sich, damit er nicht allzuviel mit seinen Bekannten reden konnte. Offenbar genoß er seine neue Rolle ebensosehr wie die Bezahlung. Wints war durchaus bereit, bei ihr zu bleiben und jeden ihrer Wünsche auszuführen.
Am folgenden Tag bediente sie sich wieder einer anderen Verkleidung und wechselte aufs neue ihr Quartier. Auch diesmal war es ein besseres Gasthaus. Nachdem sie sich ein Bild über die Bankiers gemacht hatte, gab sie Geld und Kleinode in die Verwahrung eines Mannes, dem zu trauen war, wie sie fühlte. Er brachte auch ihre Pferde unter. Sie verließ ihn mit einer Quittung und fühlte sich sicherer. An diesem Tag hielt sie ebenfalls Ausschau nach dem Gesuchten.
Am Nachmittag sah sie ihn am Rand des Basars.
»Oh«, hauchte sie hinter dem scharlachroten Schleier, der ihre untere Gesichtshälfte verbarg. »Wer ist dieser große starke Mann, der gerade Geschirr von deiner Nachbarin dort bestellt?« fragte sie ihre S'danzofreundin.
»Ah, Mädchen, das ist Ahdio — Ahdiovizun, aber hier ruft man ihn Ahdio. Er ist der Wirt dieses Lochs im Labyrinth — Fuchs' Kneipe heißt es, weißt du? Das ist ein Mann, nicht wahr?«
»Allerdings«, antwortete die verschleierte Dame weich und ging.
»Ich kann es auch nicht ändern«, sagte der Riese von Mann zu dem Händler. »Du brauchst Bocksfuß bloß auszurichten, was ich sage: Wenn sogar meine Kunden sich über das Bier beschweren, dann ist es schlecht! Dünn wie ... Also, wenn ich herausbekomme, daß er einen Haufen Katzen da drüben hat, dann bestätigt sich wohl mein Verdacht, was er in sein sogenanntes Bier erster Güte gibt!«
»Das ist nicht nett, Ahdio. Wenn du gutes Bier willst, warum kaufst du es dann nicht?«
»Wie du verdammt gut weißt, Ak, tue ich das ja. Aber nicht von Bocksfuß. Nur können sich nicht alle meine Gäste dieses teure Bier leisten, es kennen auch nicht alle den Unterschied. Ich schenke etwa zwanzig zu eins von dem Zeug aus, das Bocksfuß und Maeder brauen. Und wenn es nach der Qualität ginge, mußte ich für Maeders Rotgold mehr berechnen.«
»Oder vielleicht weniger für Bocksfuß' Echtbräu«, entgegnete Akarlain. Er legte den Kopf schief und tat sein Bestes, klug auszusehen. Das fiel ihm nicht leicht.
»Dazu bin ich durchaus bereit«, versicherte ihm Ahdio, »sobald du und Bocksfuß den Faßpreis auf ein vernünftiges Maß senkt.« Er seufzte und hob abwehrend die Hand, als der viel kleinere Mann antworten wollte. »Schon gut, schon gut. Ich brauche morgen noch dreizehn Fässer, und vergiß nicht, Bocksfuß auszurichten, was ich sagte. Und daß ich mir einen anderen Brauer suche! Meine Kunden sind Abschaum, aber auch sie haben ihre Rechte!«
Mit offenem Gesicht, ohne drohende Miene, blickte Ahdio Akarlain einen langen Moment in die Augen, ehe er sich umdrehte. Er ging zu der Verkaufsbude eines anderen Händlers auf dem geschäftigen Markt. Mit zuckenden Gesichtsmuskeln starrte ihm Ak nach. Wie war es möglich, daß ein wahrlich riesenhafter und kräftiger Mann sich so geschmeidig und leichten Schrittes zu bewegen vermochte? Ganz gewiß konnte niemand ihn schwerfällig nennen. Er bewegte sich fast graziös! Und zu beneiden, dachte Ak fröstelnd; Ahdio schien die Kälte gar nicht zu bemerken, obgleich er bei weitem nicht so warm gekleidet war wie die meisten anderen. Wäre schön, eine Frau zu haben, die soviel Wärme aus strahlt, dachte Akarlain, ehe er sich seufzend umdrehte, um Ahdios Bestellung auf der Schiefertafel einzutragen, die die Aufschrift BOCKSFUSS trug.
Ahdio hielt an einem Stand mit Klapptisch unter einem leuchtend grünen und verblichen gelben Tuchdach an. Er verdoppelte seine Bestellung für gepökelte Würste, die er auf Kommissionsbasis ausprobiert hatte, und lobte ihre Herstellerin.
»Sie waren ganz scharf darauf, Ivalia. Sie tranken auch mehr Bier! Ja, meinen Kunden schmeckten Eure neuen Würste — und mir auch!« Plötzlich lachte er schallend, wie nur ein großer, kräftiger Mann es vermag. »Aber nicht meinem Kater. Ihr hättet sehen sollen, wie er die Nase rümpfte und den Kopf schüttelte, als er sich auf die schöne Wurstmahlzeit freute und dann die Lake roch! Man konnte zwei Häuser entfernt seine Ohren rattern hören!«
»Oh, das arme Kätzchen!« Ivalia unterbrach ihre Niederschrift
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