Armegeddon Rock
verfluchte Zeit. Kinder, die verbrennen. Schreien. Sie sagen, ich hätte die Notausgänge abgeschlossen, ’ne dreckige Lüge, Sandy, ’ne dreckige Lüge. Hätt’ ich nie getan.« Er lächelte. »Auf der Bühne ist es gut. Das Trommeln. Die Musik löscht die Flammen in meinem Kopf aus.«
Cincinnati (oder war es Minneapolis?) waren die Pop-Tarts, eine lärmende Nostalgieband nur aus Mädchen, die in weißen Shorts und rückenfreien T-Shirts den Anheizer für sie machten, einen Haufen alter Songs spielten und die Menge aufgeilten und zum Pfeifen aufpeitschten, so daß die Nazgûl herauskommen und noch mehr alte Songs für sie spielen konnten. Hinter der Bühne wurde die Fete hinterher wüst und dann gewalttätig, und Sandy trank zuviel und kippte um und wachte in einem Stuhl wieder auf, als alles vorbei war. Maggio war der einzige von den Nazgûl, der dann noch übriggeblieben war. Er war im Koma, und die dunkelhaarige Bassistin der Pop-Tarts mit den großen Brüsten saugte betrunken an seinem schlaffen Schwanz. Der Fernseher war an. Kabel-Nachrichten; Sandy sah sie sich trübe an, bis ein bekanntes Gesicht erschien. Er kannte diesen Mann, dachte er, aber er konnte sich nicht erinnern, woher oder warum, und die Worte vom Bildschirm ergaben keinen Sinn. Maggio stöhnte und regte sich ein bißchen, und Sandy sah, daß er hart zu werden begann. Der Kommentator sprach von jemandem namens Paul Lebeque, der demnächst in Maine vor Gericht gestellt werden würde. Aber wer zum Teufel war Paul Lebeque? Maggio setzte sich auf, tätschelte der Pop-Tart den Kopf und sagte: »Gut, Baby, oh, gut.«
Unterwegs waren sie immer blau oder stoned oder geil. St. Louis war Houston war Pittsburgh war Cincinnati. Die neuen Songs scheiterten, und die alten funktionierten, die alten ließen die Menge munter werden. Und jede Nacht, wenn sie ein Stück von Music to Wake the Dead spielten, sang Patrick Henry Hobbins wieder mit ihnen. Aber nur bei diesen Songs. Bei dem neuen Material war es immer noch Richmond, der arme, schüchterne Plastik-Larry. Selbst wenn sie es mit Material von Napalm, Hot Wind Out of Mordor oder vom Schwarzen Album versuchten, hatten sie Richmond am Hals. Peter Faxon kämpfte um jeden Schritt auf dem Weg, schrieb das neue Material um, arbeitete die Show wieder und wieder um, und scheiterte, scheiterte, scheiterte. Richmond konnte es nicht tragen; sie brauchten Hobbins. Mit jedem Auftritt verschob sich die Balance ein bißchen mehr. Weg mit »Sins« in Detroit, statt dessen »Survivor«; raus mit »Good Ol’ Days« in St. Louis (oder war es Minneapolis?), eine Weile mit »Napalm Love« gespielt und ihnen am Schluß in Kansas City mit »Ash Man« Dampf gemacht. Raus mit den neuen Songs, rein mit den alten, man streitet nicht mit dem Erfolg.
Unterwegs braucht man den Applaus, das Gebrüll, die Pfiffe, die Liebe der Menschenmengen.
Unterwegs reiste Francie bei der Band mit. Sie war wieder Maggios alte Lady, zumindest dem Namen nach, und während der Konzerte war sie oben auf der Bühne in seiner Nähe, wiegte sich und tanzte zu der Musik, ein kleines, trauriges, leeres Lächeln auf den Lippen, die großen Augen immer noch ein bißchen verloren. Rick schien jetzt seltsam zärtlich zu ihr zu sein. Von New York bis St. Louis schlief er sich schneller denn je durch die Groupies und redete endlos von jeder neuen Eroberung. Francie nahm das alles hin, die Blasnummern und die Dreier, und wenn er umkippte oder abschlaffte, dann saß sie immer bei ihm, strich ihm über das lange, fettige Haar und lächelte ihn so gütig an wie eine Mutter ihren wilden, ungebärdigen, aber von Herzen geliebten Sohn. Sie wußte, daß sie für ihn wirklich war, erzählte sie Sandy einmal, während die anderen nur Träume waren, die kamen und gingen, Gesichter und Namen und Münder, die von Stadt zu Stadt wechselten. Francie war immer bei Rick. Und Gort, riesig und still, war nie weit von Francie.
Unterwegs war es immer Mitternacht. Auf dem letzten Stück Interstate nach Minneapolis machte Sandy das Radio an. Die automatische Antenne fuhr mit statischem Knistern aus, und die Musik erfüllte Tagtraum. Zwischen zwei kitschigen aktuellen Hits sagte der DJ: »Und jetzt eine Sprengladung aus der Vergangenheit… oder vielleicht der Zukunft, stimmt’s?«, und er spielte »Napalm Love«, die lange Version, die im Konzert mitgeschnitten, aber nie auf einem Nazgûl-Album verwendet worden war.
Und die Nazgûl breiteten ihre dunklen Schwingen über das Land,
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