Armegeddon Rock
agitiert, die drei restlichen Konzerte zu verbieten, und ein Fernsehprediger in Alabama bezeichnete die Rockmusik als kommunistische, satanische Verschwörung. Aber als sie durch die Dunkelheit nach Norden brausten, um vor der Morgendämmerung da zu sein, forderte Sandy Ananda auf, das Radio einzuschalten. Sie fand eine große Top-40-Station in Dallas, aber sie spielten »This Black Week«, und sie ließen »Blood on the Sheets« und »Napalm Love« und »What Rough Beast« darauf folgen, eine geschlagene Stunde mit Nazgûl-Hits, einer nach dem anderen, und am Schluß sagte der DJ: »Ich möchte allen von euch danken, die angerufen haben. Wir spielen weiter Nazgûl, solange ihr weiter anruft, Leute, und weiter Geld einschickt. Und denkt dran, der ganze schnöde Mammon geht an den Verteidigungsfond für die Achtzehn von Houston.« Ananda machte eine Faust, hieb auf das Armaturenbrett und jubelte mit einem frohlockenden Lachen.
Kansas City war fünfzigtausend Menschen unter den Sternen und Musik, die die halbe Nacht andauerte, Zugabe auf Zugabe auf Zugabe. Die Nazgûl fingen mit »Wednesday’s Child« an – Faxon hoffte immer noch –, und später, als sie wirklich voll in Fahrt waren, brachten sie »Goin’ to the Junkyard«, einfach so, auf Teufel komm raus, und die Menge war so gerührt und bereit und aufgeputscht, daß sie beides beinahe kauften, trotz Richmond, aber besonders in dieser Nacht war es fast von Anfang bis Ende Patrick Henry Hobbins; er beherrschte die Bühne, beherrschte die Menge, brachte sie zum Johlen und Klatschen und Füßestampfen, ließ die Musik immer schriller und lauter werden. Draußen in diesem Menschenmeer waren alle sechs Mitglieder von American Taco, Jamie Lynchs anderer Weltklasse-Band, seit 1975 aufgelöst, aber Hobbins erspähte sie und rief sie auf die Bühne, und fast eine Stunde lang lieferten sich die beiden Bands eine Schlacht, wie sie sich in der alten Zeit bekriegt hatten, und sogar der hervorragende Todd Oliver von den Tacos, der ein Paisley-Hemd und einen silbergrauen Zylinder statt des Silberlamé-Overalls anhatte, den er bei Glisten trug, schien sich bei der Gelegenheit zu steigern und sich daran zu erinnern, worum es beim Rock ’n’ Roll ging. Der Wettstreit der Bands endete damit, daß Oliver und Hobbins über die Bühne stolzierten und ein wahnwitziges Duett sangen, während Maggio mit dem Leadgitarristen der Tacos heiße Licks tauschte. Dann verschwanden die anderen, und die Nazgûl schlossen mit einer mitreißenden, chaotischen, donnernden Version von »Prelude to Madness«. Aber Kansas City war auch Richmond, der in seinem Zimmer zurück in ihrem Hotel durchdrehte. Sandy tappte auf der Suche nach einer Cola durch den Korridor, als er den Lärm hörte. Die Tür war angelehnt; er zögerte einen Moment und machte sie auf. Richmond stand mit geballten Fäusten vor dem Fenster, sein weißes Gesicht von hysterischen Tränen gerötet. Eine Lampe war umgeworfen; sie lag auf dem Teppich, der Sockel zersprungen und der Schirm zerrissen, aber die Birne leuchtete noch und tauchte das Zimmer in unnatürlich trostloses Licht. Zu viele Schatten waren an all den falschen Stellen, und von unten kam grelles Licht. Peter Faxon stand ein paar Fuß von Richmond entfernt und redete mit ruhiger, vernünftiger Stimme auf ihn ein. »Immer mit der Ruhe, Larry«, sagte er. »Ist schon okay. Zu viele Pillen, das ist alles.«
»Ich nehm keine Pillen«, sagte Richmond schrill. Seine Augen, blaß vor Angst, fanden Sandy. »Gar keine«, beharrte er.
»Du hast mitten im ersten Set eine ganze Handvoll genommen«, sagte Faxon. »Deshalb bist du jetzt so ausgerastet.« Er hob die Hände, die Handflächen nach außen, in einer Geste, die nur ruhig, nur ruhig, nur ruhig bedeutete.
»Nein«, sagte Richmond, gereizt wie ein kleines Kind. »Nein, nein, nein, nein, nein. Keine! Ich nehm keine… nehm keine…«
»Sag du’s ihm«, wandte sich Faxon an Sandy.
Sandy nickte langsam. »Aufputscher, denke ich.«
Larry Richmond schrie und trat so fest er konnte gegen die umgefallene Lampe. Sie wirbelte herum, und die Schatten verschoben sich übelkeiterregend. Dann brach Richmond schluchzend auf dem Sofa zusammen. »Ich erinnere mich nicht«, sagte er laut. »Ich erinnere mich nicht daran, ich erinnere mich an gar nichts. Was geht mit mir vor, was geht da vor?«
»Hilf mir mal«, sagte Faxon. Er und Sandy legten den Jungen ausgestreckt auf die Couch, deckten ihn mit einer Decke zu und versuchten, ihn
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