Armegeddon Rock
staubig und trostlos aus, obwohl er zugeben mußte, daß die Berge prachtvoll waren. Er konnte sich nicht vorstellen, daß mitten in dieser schroffen, unversöhnlichen Ödnis tatsächlich jemand lebte. Sandy glaubte allmählich, daß er sich verfahren hatte, und dachte schon daran, wie er wohl wenden könnte, als er schließlich zu der Abzweigung kam; ein noch schmalerer unbefestigter Weg, der von einem großen ländlichen, mit astrologischen Zeichen bedeckten Briefkasten und einer kleinen Tafel gekennzeichnet war, auf der in Handschrift GOLDEN VISION stand.
Er schlug scharf ein und kletterte eine steile, windige Bergstraße hoch. Tagtraum protestierte und versuchte ihm ins Gedächtnis zu rufen, daß er ein Sportwagen war und kein Auto mit Allradantrieb, aber Sandy blieb stur.
Hübsch und versteckt in einem schmalen Hochtal gelegen, zu dessen beiden Seiten die Berge jäh anstiegen, war die Golden Vision Earth Community, ein sich unregelmäßig ausbreitender Ort, beherrscht von einem niedrigen und alten Adobe-Haus, von dessen einer Ecke der Verputz abbröckelte und die trockenen Ziegel darunter freilegte, und einer hohen hölzernen Windmühle, grau und verwittert, deren Flügel ein zahnradartiges Geräusch machten, während sie sich drehten. Ein zweites, kleineres Haus ohne Dach und Fenster lag dem Haupthaus gegenüber auf der anderen Seite eines Platzes aus festgestampfter Erde, und mitten auf diesem Platz stand das größte Tipi, das Sandy je gesehen hatte. Die Blätter an den Espen, die die Bergflanke bedeckten, hatten sich verfärbt und ließen die ganze weite Fläche in der Tat golden aussehen.
Sandy fuhr auf den Platz und parkte neben einem alten olivgrauen Jeep. In der Nähe war ein blauer VW-Bus auf Schlackensteinen aufgebockt, der von Unkraut umgeben war und offenbar schon lange den Geist aufgegeben hatte. Als er aus Tagtraum herauskletterte, konnte Sandy sehen, daß ein großer Abschnitt der Südmauer des kleineren Adobehauses entfernt worden war. Zwei Männer und eine Frau waren dort an der Arbeit. Sie setzten lange, durchsichtige Glasscheiben ein. Rings um sie her lagen Adobeziegel, eine Schubkarre mit Zement, Holz und Hämmer und Nägel und Werkzeuge zum Glasschneiden und Kitt. Zwei von ihnen warfen Sandy einen flüchtigen Blick zu und machten sich dann wieder an ihre Arbeit. Der dritte, ein kräftiger Schwarzer mit einem Bart und kahlem Kopf, kam herüber. »Kann ich dir helfen?« fragte er mit tiefer Stimme.
»Ich suche Bambi Lassiter«, sagte Sandy. »Sie ist ’ne alte Freundin von mir.«
Der Schwarze nickte. »Im Tipi«, sagte er. Er zog ein Taschentuch heraus und wischte sich den Schweiß von der Stirn, bevor er wieder an die Arbeit ging.
Sandy schlenderte zu dem Tipi hinüber und zögerte an der Eingangsklappe. Er fragte sich, wie man an so etwas anklopfen sollte. Während er zögerte, ging die Klappe auf, und ein Haufen kleiner Kinder kam eilig und mit viel Geschrei herausgestürzt. Sandy trat beiseite, ließ sie vorbei und ging hinein. »Bambi?« rief er.
Das Innere war schwach von dem Licht erhellt, das durch den Rauchabzug oben herabsickerte, und es duftete nach Pfefferminz. Ein großer schwarzer, bauchiger Herd stand in der Mitte des Tipi, umgeben von einer erstaunlichen Menge alter, verschlissener, gemütlich aussehender Möbelstücke. Ausgefranste Teppichreste in einem Dutzend verschiedener Farben bedeckten den größten Teil des Erdbodens. Alles wirkte viel geräumiger, als Sandy vermutet hätte. Zwei Frauen saßen mit gekreuzten Beinen auf dem Boden und unterhielten sich. Sie waren beide klein und dunkel, mit schwarzen Haaren. Eine von ihnen trug Jeans und ein rotblaues Männer-Flanellhemd. Die andere hatte ein weites braunes Kleid mit einem breiten weißen Kragen an. Eine trug Sandalen. Eine war barfuß. Eine nähte. Eine war schwanger. Beide blickten zu Sandy auf. »Bambi?« wiederholte er unsicher.
Die Schwangere brach plötzlich in ein glückstrahlendes Lächeln aus, stand auf und kam mit offenen Armen auf ihn zu. »Sandy Blair«, sagte sie warm und umarmte ihn enthusiastisch. Sie reichte ihm kaum bis ans Kinn, aber für eine so kleine Frau war sie überraschend kräftig. Sandy gab die Umarmung zurück, ein wenig zaghafter.
Als sie einander losließen, sah Sandy, daß die andere Frau aufgestanden und nähergekommen war. Sie war ein bißchen größer als Bambi und sehr drahtig und trug ihr schwarzes Haar in zwei langen Zöpfen. »Das ist meine Schwester Fern«, sagte Bambi, was
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