Armegeddon Rock
selbst unschlüssig ansah. Für einen Moment fühlte sich Sandy unter Theodores blassem, wäßrigem, prüfendem Blick, als wäre es wieder 1969 und er hätte Haare bis zum Hintern und ein Friedensmedaillon aus rostfreiem Stahl an einem Lederriemen um den Hals. Es kostete ihn Mühe, sich ins Gedächtnis zu rufen, daß er trotz seines schäbigen Äußeren nicht viel schlechter aussah als jeder andere Reporter. Er trug wohl Jeans, aber zumindest waren es teure Jeans, und sein braunes Kordjackett sollte hinlänglich akzeptabel sein, auch wenn es schon ein bißchen älter war. Er fuhr sich mit einer unsicheren Hand durch seinen dicken schwarzen Haarwust und war flüchtig heilfroh, daß er schon vor langem aufgehört hatte, einen Bart zu tragen.
Theodore gab ihm die Karte zurück. »Hab noch nie was vom National Metropolitan News Network gehört«, sagte er brüsk. »Welcher Kanal ist das?«
»Kein Fernsehen«, erwiderte Sandy. Er entschloß sich, mit offenen Karten zu spielen. »Wir bringen von New York aus ein nationales Musik-und Unterhaltungsblatt heraus. Bei Lynchs Verbindungen zur Rockmusik versteht es sich von selbst, daß wir eine Story dazu bringen.«
Sheriff Theodore antwortete mit einem kleinen, sparsamen Brummen. »Pressekonferenz war vor zwei Tagen«, antwortete er. »Die haben Sie versäumt. Die meisten Jungs von den anderen Zeitungen waren da und sind schon wieder weg. Gibt nichts Neues.«
Sandy zuckte die Achseln. »Ich arbeite an einem speziellen Feature«, sagte er. »Ich würde Sie gern über den Fall interviewen, über alle Theorien sprechen, mit denen Sie sich befassen, und vielleicht rausfahren und einen Blick auf Lynchs Haus werfen, wo es passiert ist. Haben Sie irgendwelche Anhaltspunkte?«
Theodore ignorierte die Frage. »Hab ich auf der Pressekonferenz alles erzählt. Gibt sonst nichts zu sagen. Hab keine Zeit, mich für jeden dämlichen Reporter zu wiederholen, der zu spät hier raufkommt.« Er sah sich mit verärgertem Gesichtsausdruck im Dienstraum um und gab einem seiner Deputies ein Zeichen. »Ich laß Sie von einem meiner Männer zu Lynchs Haus rausfahren, und der kann dann Ihre Fragen beantworten, aber ich kann ihn nicht mehr als eine Stunde entbehren, also müssen Sie sich das, was Sie wollen, schnell besorgen, Mister Blair, oder das National Metropolitan News Network hat eben verdammt noch mal Pech gehabt. Ist das klar?«
»Äh, sicher«, meinte Sandy, aber Theodore hatte keine Antwort erwartet. Ein paar knappe Minuten später wurde er in einen der Wagen des Sheriffs verfrachtet und war in Begleitung eines schlaksigen, pferdegesichtigen Deputies namens David (»Nennen Sie mich Davie«) Parker auf dem Weg aus der Stadt. Parker war etwa in Sandys Alter, obwohl sein zurückweichendes braunes Haar ihn älter aussehen ließ. Er hatte ein liebenswürdiges Lächeln und eine unbeholfene Art, sich zu bewegen.
»Wie lange werden wir bis zu dem Haus brauchen?« fragte Sandy, als sich der Wagen vom Bordstein löste.
»Kommt drauf an, wie schnell wir fahren«, antwortete Parker. »Ist nicht so weit, wie ’ne Krähe fliegt, sind aber alles Nebenstraßen. Dauert ’ne Weile.«
»Ich soll Sie nur für eine Stunde haben.«
Parker lachte. »Ach das. Machen Sie sich keine Sorgen deswegen. Ich komm von der Schicht und hab nichts Besseres zu tun, also kann ich Sie genausogut zu Lynch rausfahren. Notch ist bloß sauer auf die Reporter. Zwei von ihnen haben seinen Namen nach der Pressekonferenz falsch geschrieben.«
»Es ist Theodore?« sagte Sandy und sah in seine Notizen.
»Ja. Aber Edwin, nicht Edward.«
Sandy prüfte das genau nach, als der Deputy sagte: »Da wir grade von Namen sprechen, Sie sind Sandy Blair, stimmt’s? Der Schriftsteller?«
»Äh, ja.«
»Ich hab Ihre Bücher gelesen. Zwei davon jedenfalls.«
»Welche zwei?« fragte Sandy verblüfft.
»Offene Wunden und Abtrünnig«, sagte Parker. »Klingt, als wären Sie überrascht.«
»Bin ich auch.«
Parker warf ihm einen schrägen Seitenblick zu. »Auch Cops lesen, wissen Sie. Na ja, manche Cops. Und das hier ist nicht die Wildnis, wie ihr New Yorker denkt. Wir haben hier Filme, Bücher, Zeitungen, sogar Rock and Roll.«
»Ich habe nicht…«, begann Sandy, dann besann er sich eines Besseren. »Wie fanden Sie die Romane?« fragte er.
» Offene Wunden war für meinen Geschmack zu niederziehend«, sagte Parker. »Sie schreiben ziemlich gut, das muß ich Ihnen lassen. Der Schluß von Abtrünnig hat mir nicht gefallen.«
»Warum
Weitere Kostenlose Bücher