Armegeddon Rock
genauso gelb, und sein Grinsen war genauso breit, und es dauerte nicht lange, bis Sandy sich dabei ertappte, wie er die ganze Geschichte seiner Odyssee kreuz und quer durchs Land ausbreitete.
Als sie mit dem Essen fertig waren, schlug Froggy einen Spaziergang vor. »Es sind nur ein paar Blocks bis zum Strand«, sagte er. »Ich hab heute keinen Unterricht. Ich lehre Montag-Mittwoch-Freitag und hab am Dienstag Sprechstunde, aber es kommt nie jemand, um mich zu sprechen, also wird man mich nicht vermissen.« Sandy stimmte bereitwillig zu, und ein paar Minuten später schlenderten sie bereits im Park am Meer entlang und stiegen die Treppen an den Felsen zum Strand hinab. Von See her wehte ein frischer Wind, und in der Luft war eine frühe Novemberkälte, obwohl es nach New Yorker Maßstäben immer noch warm war. Der Strand war verlassen. Sie gingen in Richtung zum Vergnügungspier gemächlich am Rand des Wassers entlang, unterhielten sich und nahmen spielerisch Reißaus vor den hereinrollenden Wellen. Sandy merkte, daß er den größten Teil der Unterhaltung bestritt, um Froggys endlose Neugier zu befriedigen. Er begann bei Maggie und Lark und Bambi und landete schließlich bei sich selbst, seinem Leben, seinen Büchern, seinem Haus, seinen Träumen, seinen Fehlern. Am Anfang machte Froggy noch witzige Zwischenbemerkungen, aber bald wurde er ernst. Schließlich setzten sie sich ein paar Fuß vom Wasser hin. Sandy ließ immer wieder eine Handvoll kalten, trockenen Sandes durch seine Finger rinnen, während er redete, und Froggy hatte die Arme um die Knie geschlungen und schaute durch diese dicken Colaflaschen-Gläser. »Für eine Gruppe, die sich jahrelang so dicht auf der Pelle gehockt hat, haben wir uns ziemlich weit voneinander entfernt«, sagte Sandy, »aber ich bin nicht sicher, ob irgendeiner von uns eine wirkliche Antwort gefunden hat. Mich eingeschlossen.«
Froggy pustete durch die Lippen und machte ein rüdes Geräusch. »He, denk ja nicht, daß wir einzigartig sind, Sandy. Wir sind bloß Bestandteil eines so-zie-oh logischen Phänomens. Hier spricht jetzt Professor Doktor Harold M. Cohen zu Ihnen, also hören Sie zu. Du und ich und Lark und Bambi, und alle verschwenden wir vielleicht gründlich unsere Zeit, aber dabei machen wir Geschichte, Sander, mein Junge. Wenn wir alle mal endgültig tot sind, wird unsere Generation ein tolles Studienobjekt sein. Sperr die Ohren auf, und ich laß kluge Worte auf dich einprasseln.« Er räusperte sich. »Historisch betrachtet, sehe ich vier hauptsächliche Ursachen, die hier am Werk sind. Nummer eins. Schau dir die Zeit an, in der wir aufgewachsen sind. Das Amerika der Nachkriegszeit, die späten Vierziger und frühen Fünfziger. Eine Zeit des Aufschwungs, Sandy, eine der größten und fruchtbarsten in der amerikanischen Geschichte. Frieden und Wohlstand, überall rasanter Fortschritt, alles wird täglich größer und besser. Für uns war der Himmel die Grenze. Wir waren die Generation, die alles wollte, die alles erwartete. Die gierigsten Kinder der Geschichte, könnte man sagen. Aber auch die idealistischsten.
Nummer zwei. Wir waren die erste Generation, die das Fernsehen wie die Muttermilch in sich reinsaugte. Wir sind mit Vater ist der Beste und Tanzen und Zigaretten und Nachrichten und, Gott helfe uns allen« – er rollte die Augen –, »mit Froggy dem Gremlin groß geworden. Von der Wiege an sind wir in eine Flut von Informationen getaucht und allem unter der Sonne ausgesetzt worden. Na, je mehr Informationen man bekommt, desto mehr Widersprüche sieht man, richtig? Schon im alten Süden wußte Massa, daß Bücherlesen war nix gut für Neger, und er hatte recht. Die Welt, die wir in der Röhre gesehen haben, stand nicht immer in Einklang mit dem, was Mama und Papa und die Lehrer uns erzählt haben, und Vietnam machte das mit Nachdruck klar. Kreuz dieses kleine Diktum mit unserem Idealismus, unseren hohen Erwartungen, und was man so äußerst drollig den Aufruhr der Sechziger nennt, wird unvermeidlich.
Drittens, vielleicht das Wichtigste, war der Umfang unserer Generation. Wir wollten die Welt verändern, weil eins und eins gleich zwei ist, und die alten Leute lächelten und schüttelten den Kopf und sagten, das wäre bei jeder Generation dasselbe, und wir würden da genauso rauswachsen wie sie. Wir beharrten darauf, daß es bei uns anders sein würde. Diesmal würde es wirklich geschehen. Aber die Ironie ist, daß wir recht hatten – wir waren anders als alle
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