Arno-Linder 1: Papierkrieg
ist dabei die Wahl des Lokals und des Wochentags. Es muss genug Publikum da sein, das einerseits zwar interessiert ist, andererseits aber nicht zu gut, man will ja nicht mehr verlieren als unbedingt nötig.
Was mit Eugen aber keine große Gefahr darstellt. Sein erster Ferienjob war im Schwimmbad, mit zwölf am Tischfußballkasten. Eugen hat Finger wie Menuhin, die Bälle kleben an seinen Stürmern. Wenn er schießt, sieht man gar nichts, nur das blecherne Krachen der kleinen Plastikkugel an der Torrückwand, das ist deutlich zu hören. Lange nachdem es eingeschlagen hat.
Wir spielen aus Freundschaft und nicht aus Ebenbürtigkeit zusammen. An guten Tagen bin ich normal, an normalen schlecht, an schlechten außergewöhnlich.
Am Wuzzler angekommen, legte Eugen zwei Euro auf die Glasplatte, neben eine ganze Reihe anderer Gebote. Um nicht länger als nötig warten zu müssen, legte ich nochmal vier Euro drauf, und wir waren die nächsten an der Reihe.
Eugen blickte mich fassungslos an. »Was ist los, hast du im Lotto gewonnen?«
»Ja, vier Euro, jetzt bin ich pleite.«
Die Partie vor uns war zu Ende, wir stiegen ein. Ich hinten, Eugen vorne.
Der Plastikball rollte surrend über die glatte Oberfläche, die Federn an den blanken Stahlstangen begannen zu singen, es roch nach Bier und Rauch. Meine Finger an den Griffen wurden sofort schweißnass und ich war im Spiel. Eugen spielte wieder einmal U-Boot-Kapitän und versenkte, was ihm über den Weg lief. Asche fiel von seiner Chesterfield im Mundwinkel auf das Glas, bis ein zarter Film der grau-weißen Flocken begann, uns die Sicht zu nehmen.
Üblicherweise haben wir ein Verhältnis von sechs oder sieben zu eins, wenn wir gut drauf sind, kann auch einmal ein acht zu eins herausschauen. Heute dauerte es 13 Partien und bis viertel nach zwölf, ehe wir das erste Mal verloren.
Wir saßen an der Bar und Eugen rauchte gerade eine neue Chesterfield an. Er ist gezwungen, schnell zu spielen, will er nicht mehr Geld verrauchen, als er durchs Wuzzeln gewinnen kann. Außerdem er ist um jede Minute Schlaf froh, denn schlafend raucht er nicht und das entlastet sein Budget.
»Was hast du mit der Polizei zu tun, dass die bei mir vorbeischaut und wissen will, wann du da warst?«
Ich erzählte Eugen so viel, wie ich für klug empfand. Er strich sich über die Haare an seinen Schläfen, heizte eine weitere Chesterfield an und blies den Rauch aus. Nachdem er mit drei Zügen die Hälfte der Zigarette zu Asche verwandelt hatte, blies er den Rauch aus und begann zu sprechen. »Das klingt aber ungemütlich. Würd ich nicht mitmischen wollen.« Eugen schaute nachdenklich in sein Bierglas. »Du hast also mit den Bullen zu tun. Das ist kein Spaß mit denen.« Er zündete eine neue Zigarette an, und nachdem er den Rauch ausgeblasen hatte, legte er los.
»Als ich zu studieren begann, wohnte ich in einer WG. War ein schönes Studentenleben damals. Lange schlafen, die Nacht zum Tag machen und solche Sachen. Richtig gemütlich. Irgendwann mitten in der Nacht, so um acht Uhr morgens, machte es plötzlich einen Kracher. Die Tür brach auf, Holzsplitter flogen in der Wohnung herum und ein paar Bullen mit schusssicheren Westen und Visierhelmen, ich glaube, die waren von der Wega, standen mitten im Zimmer. Wir waren völlig verdutzt und mussten uns, teils nackt, mit den Händen im Genick an die Wand stellen, während die unsere Zimmer durchsuchten. Ziemlich ungemütlich.« Eugen kostete von seinem Bier.
»Weswegen?«
»Weil irgendwer unseren Meldezettel falsch oder unleserlich ausgefüllt hatte. Sie haben ein paarmal angerufen, immer dann, wenn entweder alle schliefen oder auf der Uni waren. Schließlich kamen sie zum Schluss, dass wir illegalen Ausländern Unterschlupf bieten würden. Ich glaube, sie gingen von Albanern aus. Jedenfalls war’s nicht wirklich witzig. Pass auf dich auf.«
»Jetzt übertreib nicht.«
»Komm als Unschuldiger bloß nicht mit der österreichischen Polizei in Berührung. Lieber als Christ den Taliban in die Hände fallen, da ist man wenigstens auf YouTube zu sehen.«
Wir tranken unser Bier aus und kehrten zurück zum Wuzzler. Das Glück blieb uns treu und als wir so gegen halb vier aufbrachen, waren nur noch drei Niederlagen hinzugekommen.
Um 20 nach 3 stand ich vor meiner Wohnungstür. Ich hatte Eugen an meinem Reichtum mitnaschen lassen und ihn im Taxi mitgenommen. Nun wusste ich, welchen Kick sich die Reichen aus ihren Charity-Events ziehen. Nichts haut so rein wie
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