Arno-Linder 1: Papierkrieg
entscheidend.«
»Sie sprachen von antiken Papyri, es gibt aber keine vollständigen Fragmente, so weit ich weiß.«
»Ich habe Zugang zu einem.«
Ruhig nippte ich an meinem Kaffee. Dittrich hatte angebissen. Von meiner Zeit hinter dem Spieltisch wusste ich, wann jemand ruhig ist und wann er nur so tut. Dittrich tat es meisterhaft, aber kleine Anzeichen verrieten Anspannung.
»Zuerst muss die Echtheit überprüft und anschließend die Legalität des Dokuments sichergestellt werden. Es ist doch legal im Besitz Ihres Klienten?«
»Sicherlich, daran besteht kein Zweifel.«
»Den Museen und Sammlungen bieten Sie es nur nicht an, weil Sie von einem privaten Sammler einen höheren Preis erwarten?«
Dittrich wusste genau, was gespielt wurde, und ich spielte mit. »Genau so ist es. Den öffentlichen Institutionen geht weltweit das Geld aus, alles konzentriert sich in privaten Sammlungen, so wie die naturwissenschaftliche Forschung aus der Öffentlichkeit der Universitäten in die dunklen Geheimkammern mächtiger Konzerne wandert.«
»Wir leben im Todeskampf der res publica, da haben Sie recht.«
Dittrich nahm einen Zug und stand auf. »Ich werde mir nachschenken, Sie sind sicher, dass Sie nichts wollen?«
»Danke nein.«
Dittrich füllte sein Glas und setzte sich zurück an den Tisch. »Sie haben also jemanden an der Hand, der über ein solches Papyrus verfügt. Ist es vollständig?«
»Nein, nur ein Gesang, der XVII.«
»Ist das nicht der, mit der Aristeia des Mäusehelden, wie hieß der noch?«
Dittrich wusste das alles selber, bloß wollte er nicht seine Karten auf den Tisch legen.
»Es handelt sich um die Stelle, in der der Mäuseheld Bröckchenräuber mit seiner Nussschale die Reihen der Frösche lichtet, worauf Zeus ihm Einhalt zu gebieten denkt, aber Ares und Athene fühlen sich dem großen Mäusehelden nicht gewachsen.«
»Köstliche Stelle.« Dittrich schmunzelte und schmauchte vergnügt vor sich hin. »Haben Sie das Papyrus selbst gesehen und sind von seiner Echtheit überzeugt?«
»Ja. Schrift, Tinte, Schreibweisen, alles ist perfekt. Nur die Unterlage konnte ich keiner chemischen Analyse unterziehen. Dazu bräuchte man ein Labor, über das ich nicht verfüge.«
»Ohne chemische Analyse ist nicht zweifelsfrei bewiesen, dass es sich um keine Fälschung handelt.«
»Wenn jemand so viel Aufwand betreibt, um die Schrift eines antiken Schreibsklaven perfekt zu imitieren, was Jahre an Übung bedarf, wird er auch das richtige Papyrus verwenden. Wenn es eine Fälschung sein sollte, dann ist sie so gut, dass niemand das herausfinden kann.«
»Wie haben Sie sich die weitere Vorgehensweise vorgestellt?«
»Ich werde mit dem Besitzer Kontakt aufnehmen, danach werde ich Sie benachrichtigen und wir können einen Besichtigungstermin vereinbaren.«
»Sie gehen ja davon aus, dass ich Interesse habe, als ob es sich dabei um eine feststehende Tatsache handeln würde.«
»Herr Dittrich, ich sehe, was Sie hinter Ihrem Schreibtisch an der Wand stehen haben.« Ich stand auf und ging zum Bücherschrank. »Eine Abschrift von ›De veritate‹ des Heiligen Thomas, venezianische Bände illustren Inhalts, eine Handschrift des Satyricon, um nur die ersten drei zu nennen, die mir in die Hand gefallen sind.«
Ich drehte mich um, Dittrich glühte vor Besitzerstolz.
»Wenn ich das zum Anhaltspunkt nehme, um zu extrapolieren, was Sie zu Hause gelagert haben, bin ich sicher, dass sich dort auch ein paar Zeilen aus dem Nibelungenlied finden werden, die mit denen aus St. Gallen und Stift Melk konkurrieren können.«
»Was für einen Preis hätten Sie sich gedacht, wenn ich mich denn bereit erklären sollte?«
»Sie wissen sehr gut selbst, was so ein Text wert sein kann. Wir haben nicht vor, an die Schmerzgrenze zu gehen. Wir legen den Preis so, dass Sie, wenn Sie ihn weiterverkaufen wollen, weil Sie irgendwelche Unregelmäßigkeiten wittern, das auch noch mit einem satten Gewinn tun können.«
»Nennen Sie einen konkreten Preis.« Dittrich hatte angebissen, nun musste ich ihm Leine geben.
»Zuerst machen wir einen Besichtigungstermin, danach werden wir weitersehen.« Wenn ein Sammler das Knistern des Papyrus in den Ohren hört und seine feine Oberflächentextur mit den Fingerspitzen erfühlt, all die kleinen Details ausmachen kann, dann muss man über den Preis sprechen, nicht in irgendeinem Büro.
»Geben Sie mir einen ungefähren Anhaltspunkt.«
»Das wäre nicht seriös. Wenn wir einen Preis nennen, dann den
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