Arno-Linder 1: Papierkrieg
sah Buchrücken mit Saffian-Leder überzogen, die von der goldenen Blüte venezianischen Handwerks zeugten, neben abgenützten Einbänden, vom Glanz tausender Handberührungen geadelt. Ich roch ihn sogar, den leicht pfeffrigen Duft der Seitenschönheiten. In der Ecke neben dem Schreibtisch war eine Ledergarnitur aufgestellt, mit einem Armsessel, einer Chaiselongue und einem Rauchertischchen. Dieses war ein Frevel, denn seine Einlegearbeit bestand aus echtem Elfenbein. Alles atmete Kultiviertheit und Geschmack.
Dittrich stand auf und kam von hinter dem Schreibtisch auf mich zu. Wir schüttelten uns die Hände und er wies mir den Platz im Armsessel zu. Kaum hatten wir uns gesetzt, da kam bereits die wohlklingende Sekretärin mit einem Tablett, Kaffee, Tassen und dem üblichen Zubehör herein. Sie stellte es auf das Tischchen, Dittrich nickte ihr zu und schon schloss sie die Tür von draußen.
Ich machte mir einen Kaffee, wohl oder übel musste ich mir einen Tropfen Milch hineingießen. Dittrich ging zum Schrank hinter seinem Schreibtisch, öffnete eine Lade und Gläser klirrten. »Wollen Sie auch einen?«
»Nein danke, mir reicht der Kaffee.«
»Gut, aber es stört Sie doch nicht, wenn ich trinke? In meinem Alter muss man nicht mehr strenge Diät leben.«
Dittrich schenkte sich ein Glas ein und setzte sich mir gegenüber auf die Chaiselongue. Er war in den unvermeidlichen dunklen Anzug mit der roten Krawatte gekleidet, es fehlte nur mehr die Nelke im Knopfloch. An der Linken trug er eine schwere Uhr, am Ringfinger einen Goldring mit dunklem Bernstein. Er hatte schwere Tränensäcke, eine kleine Nase, tiefliegende Augen und hinter den Ohren zwei Büschel weißen Haars.
»Rauchen Sie?«
»Nein, auch hier muss ich leider ablehnen.«
»Aber in meinem Büro wollen Sie es mir doch nicht verbieten?«
»Keineswegs. Im Herzen bin ich Kettenraucher, nur eben ohne zu rauchen. Ein Raucher in der inneren Emigration, könnte man sagen.«
Dittrich stellte sein wohlgefülltes Glas ab und bückte sich unter den Tisch. »Das ist gut, ich kann diesem Gesundheitsfaschismus nichts abgewinnen.«
Einem Humidor entnahm er eine Cohiba, Siglo Dos, und ein Balsahölzchen, setzte dieses mit einem Streichholz in Brand und rauchte damit genüsslich die Zigarre an. Behutsam nahm er die ersten Züge, wartete ab und lehnte sich wohlig zurück. »Kaum zu glauben, dass Sie nicht rauchen, bei Ihrem Doktorvater!«
»Ja, er hat immer gern geraucht.«
»Die Vorlesungen hat er immer in zwei Einstündige aufgesplittet, damit er in den Pausen in seinem Zimmer rauchen konnte.«
»Das war aber erst, nachdem das Rauchverbot in den Lehrsälen durchgesetzt worden war. Davor hatte er immer eine Pfeife im Mund.«
»Über seinem Platz im Büro war ein richtig gelber Nikotinfleck, wenn ich mich recht erinnere. Gibt es den noch?«
»Nein, nach seinem Tod hat meine neue Chefin den Raum geerbt und sofort neu streichen lassen.«
Einen Moment saßen wir da und nickten uns zu, im vollen Einverständnis über die Grausamkeiten der Geschichte. Danach trank ich einen Schluck vom Kaffee. Obwohl es Filter war, gar nicht so schlecht. Ich nahm noch einen Schluck.
»Mein Büro haben Sie gleich gefunden?«
»Ja. Unten auf der Tafel steht geschrieben, für die, die lesen können, H. Dittrich, Beratungen und Konziliar, 4. Stock, Tür 17. Was und wen beraten Sie eigentlich?«
»Jeden, der bezahlen kann.«
»Bei welcher Art von Geschäften?«
»Bei jeder, in der ich um Rat gefragt werde.«
Einen Moment schwieg er, dann fügte er mit einem Lächeln hinzu: »Ehrlich gesagt, allzu viel Arbeit ist es nicht. Ich habe hier ein kleines Refugium, zu dem Frau Dittrich keinen Zutritt hat, ich habe einen Vorwand, um Frau Chmelar weiterzubeschäftigen, und manchmal verirrt sich tatsächlich jemand hierher, dem ich helfen kann.«
»Wie mir.«
»Genau.«
Dittrich rauchte gelassen weiter, nippte wieder an seinem Glas. Dem Geruch nach zu schließen, irgendeiner der Islay Malts, wahrscheinlich ein Laphroag. Dittrich war eiskalt, ich würde den ersten Schritt tun müssen.
»Interessieren Sie sich für antike Papyri?«
»Ja, so wie für einiges andere auch noch.«
»Was sagt Ihnen die Batrachomyomachia?«
»Eine antike Parodie der Ilias. Von Plutarch dem Sohn oder Bruder der Königin Artemisia zugeschrieben, wie hieß der gleich?«
»Pigres.«
»Richtig.«
»Es gibt aber auch Forschermeinungen, die auf die Zeit Alexanders hinweisen, aber das ist für uns nicht
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