Arno-Linder 1: Papierkrieg
durchgehen, um für ein anstehendes Verhör gerüstet zu sein, aber ich ließ es. Schließlich hatte ich die ganze letzte Woche an nichts anderes gedacht. Für ein paar Improvisationen musste das reichen. Die tantrische Konzentrationsübung interessierte mich mehr.
Ich setzte mich auf den Boden, vor eine Wandstelle, deren Anstrich weder durch Spuren menschlicher Existenz noch durch Schimmel entstellt war, und versenkte mich in die weiße Leere.
Es begann gerade wieder Spaß zu machen, als die Tür aufging. Zwei Beamte kamen herein, rissen mich an der Schulter hoch, schnallten mir wieder die Arme auf den Rücken und hinauf ging es, in das Büro von Katze und Fuchs.
Im Büro schien eine helle Vormittagssonne durch die verdreckten Fensterscheiben herein. Die beiden tranken dampfenden Kaffee und aßen Briochekipferln dazu. Unnötig zu sagen, dass die Katze weder zum Trinken noch zum Essen die Zigarette aus dem Mundwinkel nahm.
»Na, Linder, guten Morgen.«
»Wissen Sie, wo wir heute Vormittag waren?«
Der Fuchs wachelte mit einem Zettel vor meinem Gesicht hin und her. Ich saß wieder auf dem harten Holzstuhl, während die Katze auf der Tischplatte und der Fuchs dahinter Platz genommen hatte.
»Sie werden’s nicht glauben.«
»Wir waren in Ihrer Wohnung.«
»Und wissen Sie, was wir dort gefunden haben?«
»Besser gesagt, nicht gefunden haben?«
»Das Bild, das Sie Mihailovic verkaufen wollten.«
»An Ihren Wänden findet sich überhaupt nichts. Bis auf Dreck.«
»Mensch, hausen Sie in einem Loch.«
»Dort dürfen Sie sicher nicht mal eine Kanarie halten.«
»Genau, wär dem Tier nicht zuzumuten.«
Sie hatten also herausgefunden, dass ich geblufft hatte. Aber noch gab ich nicht auf. »Dann haben Sie nicht genau genug geschaut. Bin Ihnen nicht böse deswegen, passiert sicher öfter, dass Sie was Wichtiges übersehen.«
»Wir haben geschaut, aber das Bild nicht gefunden.«
»So groß ist Ihre Bruchbude mit den acht Wänden auch wieder nicht.«
»Dann hat mich jemand in meiner Abwesenheit beraubt.«
»Wir haben nicht mal einen Nagel in der Wand gefunden, auf dem ein Bild hätte hängen können.«
»Ach so. Aufgehängt hatte ich es ja nicht. Ich bin Aktivist bei ›Freiheit den Bildern‹. Wir glauben nicht an Nägel und aufgehängte Bilder. Sie sollen sich ganz natürlich wohl fühlen. Deswegen hatte ich es auch an den kleinen Schreibtisch gelehnt. Dort hätten Sie nachsehen müssen.«
»Haben wir gemacht. War aber nicht dort.«
»Ich wiederhole mich. Es muss mich jemand beklaut haben.«
»Glaub ich nicht, dass es das gibt.«
»Dass Bilder geklaut werden? Dann haben Sie aber den Beruf verfehlt.«
»Nein, dass es so was wie ›Freiheit den Bildern‹ gibt. Oder hast du schon mal was davon gehört?«, wandte sich die Katze an den Fuchs.
»In den Rundschreiben des Innenministeriums war davon noch nichts zu lesen.«
Wieder zu mir: »Was ist das für eine Organisation? Wie viele Mitglieder, wer finanziert das Ganze?«
»Gibt’s dazu eine Web-Adresse?«
»Mitglieder: eines. Geld: keines. Homepage: under construction.«
»Aha. Sie wollen uns eine Einzeltätertheorie vorlegen. Das werden wir aber nicht schlucken.«
»Das haben wir nicht mal unserem Ernst Fuchs geglaubt!«
»Jetzt hören Sie mir auf mit dem Blödsinn. Das war nur ein Schmäh. Ich war einfach zu faul und hatte es nicht aufgehängt, das ist alles. Sie müssen nicht gleich den Verfassungsschutz informieren.«
»Und das sollen wir jetzt glauben.«
»Ja, war wirklich nur ein Schmäh.«
Die beiden schauten mich an, und tauschten anschließend ein paar Blicke untereinander aus. Ganz sicher waren sie sich nicht. Aber abgelenkt hatte es sie allemal.
»Na gut, Linder, das wollen wir mal glauben.«
»Übrigens. Sie haben eine unwahrscheinliche Sau.«
»In Ihre Wohnung wurde tatsächlich eingebrochen.«
»Alles verwüstet. Die Spurensicherung arbeitet daran.«
»Was glauben Sie, haben die gesucht?«
»Den Wildgau.«
»Schluss jetzt mit dem Unsinn. Wir wissen doch alle, dass Sie das Bild nicht haben. Nur beweisen können wir das jetzt nicht mehr.«
Inzwischen waren sie mit ihrem Kaffee fertig und von den sechs germduftenden Briochekipferln war nur noch eines übrig. Genüsslich ausatmend steckte sich Katze nach beendeter Mahlzeit eine verdiente Zigarette in den Mund, ließ ihr Zippo aufschnappen und rauchte an. Dann blies sie mir den Rauch mitten ins Gesicht. Das störte mich aber nicht weiter. Alles, was für mich von Bedeutung war,
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