Arrivederci amore, ciao
unangenehmen Vorfall gab es nicht wegen Politik, sondern wegen Musik. Am ersten Todestag von Lucio Battisti hatten ein paar Fans des verstorbenen Musikers einen Gedenkabend organisiert. Sie kamen mit Schallplatten und Gitarren. Gesänge, ein paar Tränen, viel Applaus.
Irgendwann kam ein Typ an den Tresen, der den ganzen Abend abseits gesessen und getrunken hatte. Mir war er bis dahin nicht weiter aufgefallen. Er war groß, dick, blauäugig. Und vor allem betrunken. Er winkte mich zu sich.
»Battisti hat das Gewäsch der italienischen Spießbürger gesungen«, sagte er leise.
»Für solche Bemerkungen bist du hier am falschen Ort«, warnte ich ihn.
»Diese Texte sind nichts als abgeschmackte Banalitäten, und die Musik …«
»Wenn du aufhörst, geb ich dir einen aus«, unterbrach ich ihn.
»Ich trinke auf Fabrizio de Andre!«, rief er laut.
Und ein Inferno brach los. Die Battisti-Fans beschimpften ihn. Einer schrie: »Scheißkommunist!«, und alle verlangten, dass ich ihn vor die Tür setzte. Signora Cardin, Besitzerin eines Kosmetiksalons, wäre fast auf ihn losgegangen. Um die Sache beizulegen, musste ich dem Kerl zweimal in den Bauch boxen. Dann packte ich ihn am Kragen und zerrte ihn hinaus. Meine Gäste klatschten und bejubelten mich, viele klopften mir auf die Schultern.
In dieser Nacht hatte ich den ersten Fick meines neuen Lebens. Gianna, sie zählte zu den Stammgästen, hatte mir schon seit einiger Zeit tiefe Blicke zugeworfen. Eine hübsche Brünette um die vierzig. Durch den Tratsch ihrer Freundin wusste ich, dass ihr Mann sie seit einiger Zeit vernachlässigte, wegen der Arbeit. Offiziell ein kleiner Handwerker mit Familienbetrieb, gehörte ihm in Wahrheit eine größere, auf Pflasterarbeiten spezialisierte Firma. Die jedoch für das Finanzamt nicht existierte. Über alles, Infrastruktur, Geräte, Personal, wurde verdeckte Buchhaltung geführt. Dass seine Geschäfte mit Volldampf liefen, zeigten der Schmuck und die Pelze, die seine Frau nicht gerade diskret spazieren führte. Sie plauderte bis zum Lokalschluss mit mir am Tresen. Ich ging ihr ins Lager voraus und griff ihr unter den Rock. Sie erwies sich als geschickte, leidenschaftliche Liebhaberin. Wir trafen uns öfter, und es war jedes Mal ein Vergnügen.
Dann lernte ich Nicoletta kennen. Blond, hochgewachsen, schlank und mit zwei großen Möpsen, so weiß wie Milch. Sie war eine heftige Raucherin und große Liebhaberin alten Rotweins, beschäftigte sich mit Haute Couture und trug immer die elegantesten und teuersten Kleider. Hermes und Chanel. Die Stücke gehörten zu ihrer Kollektion. Ausnahmslos gefälschte Ware, aber für viele Damen der feinen Gesellschaft und auch manchen Händler war das ein zu vernachlässigendes Detail. Ein paarmal hatte sie schon vor Gericht gestanden, aber Brianese hatte sie immer wieder rausgehauen. Ihr brauchte ich nicht erst das Lager zu zeigen. Sie lebte von ihrem Mann getrennt in einer kleinen, komfortablen Villa am Stadtrand. Sie schaute mehrere Abende pro Woche vorbei, wartete, bis ich das Eisengitter heruntergelassen hatte, und nahm mich mit zu sich nach Hause.
In dieser Zeit beschloss ich, mir selbst etwas anderes zu suchen als das Liebesnest des Anwalts. Ich wurde in einem Maklerbüro vorstellig, und siehe da, als Garantie genügte es, dass ich den Namen meines Lokals nannte. Ich mietete eine Wohnung in der Nähe der Osteria. Nicoletta half mir, sie einzurichten. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass eine Wohnung wirklich meine war. Mit Nicoletta Möbel und Einrichtungsgegenstände auszusuchen, hatte mich das Vergnügen kennenlernen lassen, etwas mit einer Frau zu teilen. Ich bekam Sehnsucht nach einer dauerhaften Beziehung. Über die körperliche Anziehung und eine gewisse Sympathie hinaus war weder mit Gianna noch mit Nicoletta etwas in dieser Richtung anzufangen. Aber für mich war das etwas ganz Neues. Ich hatte nicht das Bedürfnis gespürt, sie zu unterwerfen oder ihr Leben zu kontrollieren, wie bei Flora oder der Witwe. Was aber auch nicht bedeutete, dass meine sexuellen Vorlieben sich geändert hätten. Ich empfand einfach immer neue Gefühle. Vielleicht passiert ja genau das, wenn man sein Leben ändert.
Exakt nach einem Jahr forderte Brianese den ersten Gefallen von mir. Einen gut bezahlten, aber doch einen jenseits der Legalität. Eine Haushaltswarenhändlerin aus derselben Provinz hatte sich von einer Wahrsagerin fünfundfünfzig Millionen Lire abknöpfen lassen, damit die ihre
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