Arrivederci amore, ciao
gehabt. Sante Brianese war wirklich mit allen Wassern gewaschen und dachte an alles. In ein paar Jahren würde ich mir eine schöne Position aufbauen und die Vergangenheit ein für alle Mal hinter mir lassen können.
Als ich aus der Kanzlei kam, war ich versucht, mir zur Feier des Tages einen Besuch im Luxusrestaurant zu gönnen, aber ich erinnerte mich an die Ermahnungen Brianeses und ging in ein Selbstbedienungsrestaurant einer großen Kette. Und dann sofort nach Hause.
An den folgenden Tagen traf ich verschiedene Personen, die Brianeses Vertrauen besaßen und die steuerliche Seite der Operation betreuen sollten. Außerdem lernte ich den Mann kennen, der die Wucherkredite vermittelte. Ein Bankdirektor gab ihm Personen an, die dringend einen Kredit benötigten. Das Geld kam dann von einem Finanz- und Vermittlerkonsortium, das sich auch gleich selbst um das Eintreiben der Kredite kümmerte. Die Sache war gut ausgetüftelt, und er versuchte mich zu überreden, dass ich ihm zweihundertfünfzig Millionen anvertraute, aber ich gab ihm am Ende nur siebzig. Ich behielt lieber den größten Teil auf der Seite, falls irgendwas schief lief und ich gezwungen sein sollte, Hals über Kopf die Stadt zu verlassen.
Schließlich führte mich Brianese in mein zukünftiges Lokal. Es lag in einer alten Straße nahe dem Marktplatz, unter den Arkaden. Toni und Nena empfingen den Anwalt mit ängstlichem Respekt. Offenbar schuldeten sie ihm große Dankbarkeit. Mir drückten sie nur die Hand, mehr nicht. Er sah aus wie ein Säufer am Ende seiner Laufbahn. Sie hingegen war voller Energie und versuchte immer noch, als Frau Wirtin aufzutreten. Sie trugen blaue Kittel, wie ich sie seit meiner Kindheit nicht mehr gesehen hatte. Auch die Gäste waren nicht mehr jung, abgesehen von ein paar Grüppchen von Studenten und Faulenzern mit Rastalocken und Piercings, die ich bei der ersten sich bietenden Gelegenheit hier vertreiben wollte. Das Lokal – ein einziger großer Raum voller Tische und Holzstühle – roch nach aufgewärmtem Essen, abgestandenem Rauch und schalem Wein. Der Marmortresen erstreckte sich über eine gesamte Querseite. Nach hinten ging es zu den Toiletten, eine Tür führte auf einen Hinterhof, von dem aus man auch in das mit Ballonflaschen gefüllte Lager kam. Überall Ölgemälde verschiedenster Art. Offenbar hatte Toni eine Zeit lang gescheiterten Künstlern erlaubt, mit ihren Werken eine Mahlzeit zu bezahlen. Nena berichtete mir, dass sie die Osteria nach dem Krieg aufgemacht hatten. Die Juden, denen das Lokal zuvor gehört hatte, waren ’44 von den Faschisten deportiert worden. Seither hatte sich nichts geändert. Derselbe Wein wie jeher, dasselbe Speisenangebot. Kuttelsuppe, Stockfisch mit Polenta, Gulasch, geschmortes Huhn. Am Tresen Teller, darauf Schweinsfüße, Fleischbällchen, kaltes Omelette, hartgekochte Eier mit sauer eingelegtem Gemüse, gegrillte Presswurst und kleine gekochte Tintenfischchen. Brianese hatte mir erzählt, dies sei eine der letzten altertümlichen Kneipen Italiens. Gerade kürzlich hatte eine Vereinigung sie in eine Liste historischer Lokale aufgenommen, die es zu erhalten gelte. Der Anwalt hatte ganz andere Pläne. Ein befreundeter Architekt sollte es in ein modernes Restaurant verwandeln, mit lachsrosa gestrichenen Wänden und französischen Möbeln. Er hatte nicht ganz unrecht. Diese Osteria konnte auf jeden Fall einen Eimer Farbe gebrauchen.
Anfangs spülte ich Gläser und Teller und servierte bei Tisch. Die Osteria öffnete um sieben Uhr früh und schloss abends um acht. Völlig erledigt ging ich nach Hause. Dusche, ein Teller Pasta, dann zum Unterricht zu Cavaliere Minozzi. Vierzig Jahre lang hatte er das beste Restaurant der Stadt geführt, bis er wegen Spielschulden die Lieferanten nicht mehr bezahlen konnte. Fast wäre er vor Gericht gelandet, aber Avvocato Brianese hatte rettend eingegriffen und die Gläubiger beruhigt. An diesem Punkt hatten Minozzis Kinder verlangt, dass er das Restaurant verkauft und sich zur Ruhe setzt. Jetzt war er ein rüstiger Alter, der mich im Gegenzug für seine Lektionen zu langen Kartenspielen zwang. Er spielte wie ein Zuchthäusler, hinterlistig und mit schneller Hand, und ich hielt ihm tapfer stand. Ihm machte es einen Heidenspaß, und so schnappte ich zwischen den Runden die wichtigsten Ratschläge für meinen späteren Beruf auf. Seine bessere Hälfte, eine winzige, mütterliche Frau, versorgte uns unterdessen mit Kuchen und Likör. Cavaliere
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