Arschloch!
Callcenter.
„Ich denke schon! Bis nachher!“, rufe ich ihm hinterher.
Eine halbe Stunde später kann ich endlich Feierabend machen. Gemeinsam mit Daniela verlasse ich das Großraumbüro. Auf dem Weg zum Fahrstuhl kommt uns Anne entgegen. Als sie uns einen schönen Feierabend wünscht, antworten wir nicht. Daniela verdreht bloß ihre Augen. Dann öffnet sich die Fahrstuhltür, wir betreten ihn und einen Augenblick später geht es langsam abwärts.
Ich schnappe mir meine Kamera, verlasse meine Wohnung und besorge mir 200 Euro vom Geldautomaten, damit ich mich ein wenig besser fühle. Anschließend begebe ich mich zum Kunstrasen, der sich in diesem Jahr gegenüber dem Landesmuseum im Innenhof des geologisch-paläontologischen Museums befindet. Eine tolle Location.
Als ich an der künstlichen Grünfläche eintreffe, starte ich meine Kamera. Es ist bereits gut gefüllt und ich filme einmal über die Menschenmenge hinweg auf den DJ, der irgendetwas von Tom Novy hat und House auflegt.
Es wird langsam dunkel und die Beleuchtung, blaue Neonröhren in den Fenstern und grünes Licht aus der Museumshalle, werden eingeschaltet und eine Mitarbeiterin, die irgendetwas von Jenna Jameson hat, stellt überall riesige Kerzen auf, die unangenehm nach Zitrone riechen. Ich blicke mich um, ob ich irgendwen kenne, und entdecke Thomas, meinen ungeliebten Arbeitskollegen, der in einer hinteren Ecke sitzt und mit einer Frau redet, die unglaubliche Ähnlichkeit mit Kate Winslet besitzt. Ich filme Thomas von der Theke aus, aber unglücklicherweise stellt sich nach ein paar Sekunden eine Gruppe Studenten zwischen mich und mein Objekt und ich muss die Aufnahme beenden.
Ich schalte meine Kamera aus, begebe mich an die aufgebaute Theke und bestelle mir bei einem Kerl, der irgendetwas von Brian McFadden hat, ein Bier.
„Was für ein Bier möchtest du haben?“
„Was habt ihr denn?“, frage ich und drehe die Kamera auf die hell beleuchteten Kühlschränke mit Umluftkühlung.
„Ähm! Astra, Heineken oder Bit Sun!“
„Bit Sun?“
„Das ist das Beck‘s Gold von Bitburger!“
„Springen die ebenfalls auf den Trend auf?“
„Wie das halt so ist!“, sagt er, wahrscheinlich so ein dämlicher Student, als wüsste er „wie das halt so ist“.
Ich bezahle das Bier, schnappe mir die Flasche und gehe rüber zu Thomas, der mich immer noch nicht entdeckt hat. Fast so als sei ich unsichtbar. Ich schalte meine Kamera wieder ein und filme, wie ich mich von hinten an ihn ranschleiche und ihn erschrecke. Er zuckt zusammen.
„Moritz!“
„Hi Thomas! Alles klar bei dir?“
Der Empfang ist nicht so herzlich wie in einer Bierwerbung. Ganz und gar nicht, was mich aber nicht daran hindert, auf seine Verabredung zu zoomen. Kurz ins Gesicht, dann mit dem Weitwinkel die Totale. Ganz zum Schluss mache ich eine kurze Aufnahme von ihren Titten. Nur einen Moment lang, genauso wie die ganzen notgeilen Böcke hinter den Fernsehkameras, die bei jedem kurzen Rock, den sie vor die Linse kriegen noch für einen kurzen Augenblick draufzoomen, bevor ihr Bericht zu Ende geht.
„Sicher!“, sagt er und ich setze mich zwischen ihn und seine Bekanntschaft. Auf eine der grünen, rechteckigen Sitzgelegenheiten, die über dem Kunstrasen verteilt sind und bei weitem nicht so bequem sind, wie sie aussehen. Ich schalte meine Kamera aus, stecke mir eine Zigarette an und sage: „Willst du mir nicht deine Begleitung vorstellen?“
„Ja, klar!“, antwortet er verlegen.
„Das ist Sandra!“
„Hi Sandra! Wie geht‘s?“
Sie reicht mir ihre Hand. Sie hat rote Fingernägel und trägt einen goldenen Ring an ihrem rechten Mittelfinger.
„Woher kennt ihr euch?“
„Wir haben uns im Chat kennengelernt!“
„Im Chat? Das finde ich klasse. Ich war derjenige, der Thomas dazu ermuntert hat, sich dort anzumelden. Stimmt‘s?“
„Ja! Das stimmt!“
„Damit er seine Ex endlich mal vergisst.“
Für einen Moment herrscht betretene Stille.
„Und wo ist denn deine Freundin?“, fragt Thomas verkniffen.
„Meine Freundin? Ach, die hat mir grade eben abgesagt. Sie hat Durchfall und kann heute nicht aus.“
„Schade, die hätte ich gerne mal gesehen!“
„Sie hat mir aber versprochen, es irgendwann nachzuholen.“
„Ja, dann!“
Wir unterhalten uns über die Klubs der Stadt. So ist der Smalltalk heutzutage. Wir müssen nicht mehr über das Wetter oder Filme reden.
Nachdem ich ein weiteres Bier geholt habe, verabschieden sich die beiden aber auch schon von
Weitere Kostenlose Bücher